Das Kinojahr 2015 auf dem Filmaffen: Ein Rückblick
Ein weiteres Kinojahr liegt hinter uns. Es gab eine Menge Sehenswertes, vieles, das man getrost ignorieren durfte und die ein oder andere Überraschung. Es war ein Jahr, das erneut durch Fortsetzungen und Prequels bekannter Filmreihen geprägt wurde, aber auch viel Neues, viel Innovatives hervorbrachte. Eigentlich ein gewöhnliches Kinojahr mit Höhen und Tiefen und doch wieder anders als die Jahre zuvor.
Der Filmaffe hat noch mal genauer hingeschaut und sich einige Wenige Filme herausgepickt, die auf ihre eigene, individuelle Art das Kinojahr 2015 mit geprägt haben.
Dinos, Superhelden & Lichtschwerter: das Blockbuster-Kino
Auch im Jahr 2015 ging die Welle an Superhelden aus dem Hause Marvel unvermindert weiter. Vielmehr fand die zweite Phase mit THE AVENGERS: AGE OF ULTRON und ANT-MAN ihren Höhepunkt. Während der eine Film eine pure Materialschlacht war, brillierte vor allem der Ameisenmann durch seine vornehme Zurückhaltung. Als kleine Gaunerfilm-Hommage angelegt, stach der Film aus dem MCU heraus und bewies, wie facettenreich ein Superheld eigentlich sein kann.
Agenten-Fans konnten sich dieses Jahr gleich doppelt freuen: Mit MISSION IMPOSSIBLE 5 – ROUGE NATION und SPECTRE setzten gleich zwei populäre Filmagenten ihre Arbeit hinter den feindlichen Linien zwielichtiger Organisationen fort. Mit der witzig-actionreichen Comic-Verfilmung KINGSMAN – THE SECRET SERVICE erblickte hingegen eine neue Generation von Filmagenten das Licht der Leinwandwelt.
Noch witziger und oft derbe unter der Gürtellinie hielt sich TED 2 auf. Der sprechende Teddybär und sein Bro stürzten sich in neue urbane Abenteuer und nahmen kein Blatt vor dem Mund. Auf dem selben Niveau agierend, kehrte auch Zeki Müller und seine Problemschüler zurück. In FACK JU GÖHTE 2 nimmt die Klasse an einem Austauschprogramm teil und verbreitet Chaos im Paradies.
Auch witzig, aber deutlich ruhiger, ja einsiedlerisch ging es dafür in Ridley Scotts DER MARSIANER – RETTET MARK WATNEY zu. Matt Damon spielte einen auf dem Mars gestrandeten Astronauten, der aus seiner Not eine Tugend macht. Das Ergebnis waren tolle Bilder und eine spannende Story, die hin und wieder ein paar Längen hatte.
Wenn man einigen Kritikern glauben schenkt, dann hatte auch JURASSIC WORLD seine Längen. Nicht lang, aber vor allem groß waren die „Darsteller“: Die Dinosaurier brechen aus – schon wieder. Nur, dass diesmal deutlich mehr Leben in Gefahr sind, als noch bei den letzten drei Teilen zuvor. Gut, dass Star Lord mit seinen Velociraptoren zur Stelle waren, um den Tag zu retten. Bitte so schnell es geht mehr von dieser Dino-Action.
Das Kapitol wurde endlich gestürmt: Katniss Everdeen hat im Finale der TRIBUTE VON PANEM-Reihe endlich ihren Erzfeind Präsident Snow besiegt. Und auch wenn der Dialog den Kampf überwog, war MOCKINGJAY 2 ein würdiger Abschluss der Filmreihe.
Am Ende des Jahres stand ein Film im Vordergrund, der schon im Vorfeld alle Rekorde zu brechen schien. Der erste Trailer wurde abgefeiert, der Vorverkauf brach Rekorde und die Merchandising- und PR-Maschinierie marschierte wie eine Dampfwalze durch die Filmbranche. Keiner konnte dem Film entkommen – zu Recht! Denn STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT war ohne Frage der Blockbuster-Höhepunkt des gesamten Kinojahres 2015. Doch doch ist diese Fortsetzung des Sci-Fi-Märchens nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe weiteren Filmen.
Arthouse trifft Unterhaltung:
Vor allem im Frühjahr 2015 kam viel Gutes in unsere Kinos. Die einen waren auf ihre Art subtil-melancholisch und dabei nicht selten sehr tragisch, wie etwa BOYHOOD, MR. TURNER und TRASH. Die anderen versprüht in ihrer Melancholie noch eine mal feine, mal derbe Prise Humor: So verstand es BIG EYES intelligente Komik mit bitterer Ernsthaftigkeit zu mischen und ST. VINCENT erzählt von einem einzelgängerischen Nörgler in einer heruntergekommen Welt, der durch einen kleinen Jungen seine sanfte Seite wiederfindet. Besonders satirisch wurde es in BIRDMAN. Einem Meisterwerk, das optisch herausragend umgesetzt wurde und die verzerrte Welt des Theaters unfassbar unkonventionell und doch sehr greifbar auf die Leinwand übertrug.
In MEN & CHICKEN wurde die Welt auch auf dem Kopf gestellt und mit der Evolution gespielt. Agressive, instinktgesteuerte Brüder rangeln um die Herrschaft übereinander und halten ein Familiengeheimnis vor der Außenwelt verborgen. Erst als zwei außenstehende Brüder zurück in die Heimat kommen, wird ihr verschrobenes Weltbild auf den Kopf gestellt. Es ist kein seichter Film, bei dem, trotzt Spiel mit er Komik, oft das Lachen im Hals stecken blieb.
Der deutsche Preis-Abräumer VICTORIA glänzte hingegen durch eine berauschende Bilderflut, schwächelte jedoch ein wenig in seiner eskalierenden Story. Deutlich ruhiger war es hingegen bei STILL ALICE. Wer den sehr schiefen Vergleich ziehen möchte, könnte den Film als amerikanisch Antwort auf HONIG IM KOPF sehen. Doch STILL ALICE ist ernster, tiefer und deutlich relevanter – eines der besten Drama im deutschen Kinojahr 2015.
Animiert, verkopft, verpuppst: die Kinderecke
Auch für Kinder gab es einiges zu sehen. Die Kinderbuchverfilmung DOKTOR PROKTORS PUPSPULVER setzte an die anale Phase des Menschen an und verstand es, den Witz des ausströmenden Gases in eine herrliche komische, aber gesund bodenständige Märchenwelt einzubinden. In BAYMAX – RIESIGES ROBOWABOHU trafen hingegen erstmals richtige Anime-Element auf den Disney-Stil. Hier wurde ein aufgeblasener (wortwörtlich zu nehmen) Roboter zum Superheld. Neue Helden fanden sich auch in der Nachfolgeserie STAR WARS REBELS ein. Ein mutiger Schritt, immerhin war keiner der Hauptcharakter ein alter Bekannter aus dem STAR WARS-Universum. Aber die Rechnung ging auf und die erste Staffel eröffnete eine Menge Potential, dass sich in den nächsten Staffel hoffentlich entfalten kann.
Während sich Disney neue Helden suchte, fanden sich aber auch alte, antike Helden auf der Leinwand wieder ein: ASTERIX IM LAND DER GÖTTER bewies, dass der Umstieg von Zeichnung auf Animation herrlich funktionieren kann. So hatte man optisch vielleicht Probleme sich an die neuen Rundungen zu gewöhnen, aber wenn die Story stimmt, überzeugt auch der Film.
Genau hier lagen jedoch die Probleme für das heiß erwarteten ICH, EINFACH, UNVERBESSERLICH-Prequel MINIONS. Die besten Gags waren in Clips und Trailer schon verpufft und die Story wusste nicht, wo sie eigentlich hin wollte – schade, schade. Besser funktionierte alles wieder in der innovativen Geschichte ALLES STEHT KOPF: Gefühle bahnen sich ihren Weg durch den Körper und sorgen auch beim Menschen für allerhand Verwirrung. So abstrus der Ansatz, so herrlich komisch ist her hingegen.
Apropos alte Helden: Diese Rasselbande um Charlie Brown und seinem Hund Snoopy hatte wohl keiner mehr auf dem Schirm. Doch frisch aufpoliert und animiert meldeten sich auch die PEANUTS zurück und holen eine ganz neue Generation ab.
Kleine Überraschungen vom Seitenrand:
Manche Filme kommen einfach unverhofft ins Leben des Cineasten und bleiben wegen ihren kleinen Nuancen und herrlichen Wendungen im Kopf haften. Auch in diesem Jahr gab es wieder einige Werke dieser Art. Ein paar möchte ich euch hier nochmal empfehlen:
Kochfilme, die irgendwo in Liebesschnulzen enden, gibt es viele. KISS THE COOK hingegen schlug einen anderen, frecheren Weg ein. Hier stand die Leidenschaft zum Kochen wirklich im Vordergrund und wurde auf ehrliche, aber auch komische Weise ausgedrückt. Wir mochten das sehr und können euch diese cineastische Köstlichkeit nur ans Herz legen.
Der Western lebt und zeigt sich eigentlich unverändert. Genau deswegen hat er auch nichts von seiner Wirkungskraft verloren. In SLOW WEST ist die Story eigentlich schnell erzählt. Doch sie ist perfekt verpackt in Musik, Bild und Ton und erstklassig besetzt durch einen der Schauspieler dieses Jahres: Michael Fassbender – ein Wild-West-Hochgenuss an dreckiger Ästhetik.
Fassbender war ebenfalls in des wohl ungewöhnlichsten Musikfilms in diesem Jahr zu sehen. In FRANK war sein Kopf zwar versteckt unter Pappmaché, als neurotisch-introvertierter Bandleader hat der jedoch genau deswegen ganz besonders überzeugt.
Erneut wandlungsfähig zeigte sich auch Daniel Radcliffe, der in HORNS die Sau rauslässt und seinen diabolischen Trieben freien Lauf lässt. Der Film ist böse, blutig, witzig und bringt ein wirklich abgefahren Handlung mit. Ebenso abgefahren stellt auch diese Wohngemeinschaft unser Bild klassischer Horrorfiguren auf den Kopf: In 5 ZIMMER, KÜCHE, SARG erzählt eine Gruppe von Vampiren von ihrem Alltag als Untote. Und der ist nicht immer so sorglos, wie man sich das denken könnte. Auch im ewigen Leben herrscht eben schreit über das Abspülen von Geschirr oder der Bettruhe am Morgen.
Große und kleine Enttäuschungen:
Es war abzusehen: DIE FRAU IN SCHWARZ 2 war gut, aber noch lange nicht so gut, wie die Horrorfortsetzung hätte werden können. Ein typisches Problem für Nachfolger von Überraschungshits. DER KLEINE TOD kränkelte hingegen an seinen eigenen Intentionen. Er wollte unterhalten und Tabus brechen. Dabei verstand er es zwar einen intelligent konstruiert Schluss zu kreieren, schwächelt aber innerhalb seiner Episoden am eigenen Anspruch. Dieses Problem hatte auch Disneys Fantasyfilm A WORLD BEYOND. Die Idee von einer parallelen Welt klingt spannend, wurde aber nicht konsequent genug umgesetzt.
Ebenso inkonsequent konnte sich LOST RIVER nicht entscheiden, was er werden wollte. Irgendwo zwischen gesellschaftskritischem Drama und Mysteriefilm im Stile eines David Lynchs verankert, gelang dem Film eine düstere Atmosphäre, hatte jedoch eine zu schwache Story, um wirklich überzeugen zu können. Die Story war es auch, die dem Reboot der Heldentruppe FANTASTIC FOUR das Genick brach und DAS VERSCHWINDEN DER ELEANOR RIGBY zu einem öden Liebesdrama werden ließ. Eine zu überlegte Story in Kombination mit viel Musik und einem wilden Märchenmix war letztendlich auch der Grund, warum INTO THE WOODS hinter den Erwartungen blieb. Manchmal ist es vielleicht doch wieder besser, sich an die klassische Vorlage zu halten und diese zu erzählen. Das hätte sich auch PAN auf die Fahne schreiben sollen, statt eine frühere Freundschaft zwischen den Erzfeinden Peter Pan und Kapitän Hook zu konstruieren.
Leider (bisher) verpasst:
Auch der Filmaffe schafft es bei weitem nicht, alle Filme eines Kinojahrs zu sehen. Besonderen Nachholbedarf haben wir bei diesen vielversprechenden, teilweise preisgekrönten Filmen, die auch hier unbedingt nachholen solltet, falls ihr sie noch nicht gesehen habt: INHERENT VICE, WHIPLASH, MAD MAX: FURY ROAD, BABADOOK, COCONUT HERO, LIFE, ER IST WIEDER DA, VIRGIN MOUNTAIN und FAMILIENBANDE.
Auf ins neue Jahr: Mit dieser kleinen To Do-Liste verabschieden wir uns von einem Jahr voller Filme und begrüßen das Kinojahr 2016. Doch zwei kleine Fragen haben wir noch: Waren eure Favoriten dabei? Welche Filme gehörten zu euren Highlights im Kinojahr 2015?