Alles steht Kopf - Filmkritik
Kinokritik,  Kritiken

ALLES STEHT KOPF (2015)

Wie die menschliche Psyche wirklich funktioniert

Inhalt:Alles steht Kopf_poster_small

Hast du jemals jemanden angesehen und dir die Frage gestellt, was in seinem Kopf vorgehen mag?“, wird zu Beginn des Films gefragt. Der Animationsfilm ALLES STEHT KOPF geht genau dem nach: Im Gehirn der elfjährigen Riley sitzen fünf Gefühle im Kontrollzentrum des Verstandes und steuern das Mädchen gemeinsam. Diese fünf Emotionen sind: Kummer, Wut, Angst, Ekel und die Anführerin Freude. Von ihrem Platz aus können sie in der Ferne das gesamte Bewusstsein Rileys sehen, etwa das Langzeitgedächtnis, den Abgrund des Vergessens, den Gedankenzug oder die wichtigen fünf Persönlichkeitsinseln Freundschaft, Familie, Eishockey, Quatsch-mach und Ehrlichkeit.

Eines Tages muss Riley mit ihren Eltern aus der geliebten Heimat nach San Franzisco ziehen. Die fünf Gefühle arbeiten auf Hochtouren, um diese Veränderung zu bewältigen. Genau zu diesem Zeitpunkt geraten Freude und Kummer durch einen Unfall in das Erinnerungs-Röhrensystem und werden aus der Kommandozentrale in die Weite des Bewusstseins gesaugt. Von dort müssen sie nun einen Weg durch den ganzen Verstand zurück zur Zentrale suchen. Währenddessen sind Angst, Ekel und Wut bei der Steuerung Rileys auf sich alleine gestellt und damit heillos überfordert. Als die Persönlichkeitsinseln einstürzen, wird allen klar, dass Freude und Kummer schnell die Kommandozentrale erreichen müssen – sonst verliert Riley ihren Charakter.

FAZIT:

ALLES STEHT KOPF ist ein neuer wunderbarer Geniestreich von Pixar. Er bietet nicht nur Kindern kluge Kinounterhaltung, sondern auch Erwachsenen, und ist dabei lockerleicht und tiefgründig zugleich, durchdacht und überaus witzig. Die Handlung findet nicht nur in Rileys Kopf statt. Der Film springt zwischen den äußeren Szenen im wirklichen Leben Rileys und ihrem Innenleben, dem Arbeiten der Gefühle in der Kommandozentrale. Es ist dem Film ALLES STEHT KOPF glücklicherweise gelungen, diese schon komische Idee auch durchaus witzig umzusetzen. Ein besonders kluger Schachzug des Films ist es, dass er sich nicht die ganze Zeit auf Riley beschränkt, sondern auch ab und an in die Köpfe der Eltern oder anderer Menschen springt.

Wer den Trailer sieht, versteht schnell die Art, wie der Film Witz und Fantasie zusammenbringt, ohne dabei den Bezug zur Realität zu verlieren. Und tatsächlich zeigt der Trailer auch eine der besten Szenen des Films. In dieser Art verfährt der Film im gesamten ersten Akt, und erstaunlicherweise könnte es noch stundenlang so weitergehen, ohne langweilig zu werden. Doch dann beginnt das Abenteuer, als Freude und Kummer in fremdes Terrain gelangen, und als Zuschauer neigt man kurz dazu, diesen Handlungsgang zu kritisieren: Kann es nicht so weitergehen wie bisher? Wieso muss wieder eine „von-der-Fremde-wieder-nach-Hause-Abenteuergeschichte“ á la TOY STORY (1995), DAS GROSSE KRABBELN (1998) oder FINDET NEMO (2003) eingebaut werden?

Doch schnell gerät dieser Gedanke in den Abgrund des Vergessens, denn das Abenteuer in ALLES STEHT KOPF steht für Rileys Gefühlswelt nach dem Umzug und ihren Weg von der Kindheit in das Erwachsenwerden. Außerdem kreiert ALLES STEHT KOPF eine wunderbare Fantasielandschaft, die man zu kennen meint, da sie schließlich in jedem menschlichen Verstand existiert. Der Film findet tolle Bilder, um komplexe Gefühle und abstrakte, psychische Phänomene zu visualisieren: So führt der Trip Freude und Kummer durch das Fantasieland, das Unterbewusstsein, das abstrakte Denken, die Traum Studios und durch den Abgrund des Vergessens. All diese Orte werden auf fabelhafte Weise dargestellt, mit viel Liebe zum Detail.

Als Laie in Hinsicht auf wissenschaftliche Kenntnisse über die Psyche oder das menschliche Gehirn kann man nur vermuten, wie viele Anspielungen auf wissenschaftliche Tatsachen, Theorien oder Phänomene in ALLES STEHT KOPF eingebaut wurden. Denn die Macher arbeiteten eng mit Neurologen und Psychologen zusammen.

Bei all der schon tiefgründigen Visualisierung der menschlichen Psyche kommen die Unterhaltung und der Witz aber keinesfalls zu kurz. Es begleiten viele intelligente Running Gags den Film, etwa wenn die Mitarbeiter des Langzeitgedächtnisses aus Spaß immer wieder die Erinnerung an den Song einer Kaugummi-Werbung in die Kommandozentrale schicken, der sich dann dort als Ohrwurm eingliedert.

Auch die für Pixar typische Moral kommt nicht zu kurz. Doch wo oft die Gefahr besteht, dass die Moral zu stark eingetrichtert wird, bleibt ALLES STEHT KOPF eher subtil, erzählt die Moral durch die Geschichte. So wird deutlich gemacht, dass der Kummer, der scheinbar immer nur im Weg steht, in Wirklichkeit ein unverzichtbar wichtiges Gefühl ist, dem auch mal Raum gelassen werden muss. Auch spart ALLES STEHT KOPF traurige Tatsachen nicht aus, etwa dass es zum Erwachsenwerden dazugehört, geliebte Dinge der Kindheit endgültig zu vergessen.

Ob für Kinder oder Erwachsene: ALLES STEHT KOPF (Kinostart: 01.10.2015) bietet ein tolles Kinoerlebnis. Wem der Trailer gefällt, der sollte sich den Film nicht entgehen lassen. Wem der Trailer nicht gefällt… Nun, dem kann man trotzdem ohne Bedenken empfehlen, sich ALLES STEHT KOPF anzusehen.

von Benjamin Wirtz

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Disney/ Pixar 2015

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Hey, ich bin angehender Cineast, großer Kinofreund und interessiert an jeder Art von Filmen. Deshalb steht in meinem DVD-Regal Godard neben Besson, die „Alien“-Box neben der Truffaut-Box, „Saw“ neben „Frau ohne Gewissen“ und „Panzerkreuzer Potemkin“ neben „2-Headed-Shark-Attack".

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