Glass - Review | Thriller M. Night Shyamalan
Film,  Kinokritik,  Kritiken

GLASS (2019)

Stille Helden & dunkle Abgründe

Die Fäden der Easttrail 177-Trilogie von M. Night Shyamalan werden in GLASS zu einem finsteren Finale verflochten. Wie schon die Vorgänger UNBREAKABLE und SPLIT, so zählt auch dieser Horrorthriller nicht zum Blockbusterkino, sondern ist ein freigeistig-philosophisches Schattenbild eines glorifizierten Sprechblasen-Heldentums.

Manchmal verloren in den Tiefen bedeutungsschwangerer Dialoge gelingt es Shyamalan einen Abschluss zu finden, der gleichermaßen stimmig ist, wie er in seinem Ergebnis einmal mehr überrascht.

Glass - Poster | Thriller

INHALT:

Noch immer streift der schizophrene Psychopath Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) umher, entführt Mädchen und ermordet Unschuldige. Doch nachdem seine Taten durch Casey Cooke (Anya Taylor-Joy), die gerade so seinen Fängen entkomme konnte, bekannt wurden, wird er von einem dunklen Helden gejagt.

David Dunn alias „Green Guard“ ist unzerbrechlich und seit Jahren der geheime Held, der nachts durch die Stadt streift, um gemeinsam mit seinem Sohn Joseph (Spencer Treat Clark) dem Verbrechen Einhalt zu gebieten.

Als Kevin und David aufeinandertreffen, kommt es zu einem Kampf, den keiner gewinnen kann – und die Polizei ist bereits alarmiert. Beide landen in der Hochsicherheitsanstalt von Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson). Die Ärztin glaubt den beiden Männern nicht und möchte sie davon überzeugen, dass ihre Superkräfte nur Hirngespinste ihrer Fantasie sind.

Doch dann erwacht ein anderer Insasse der Anstalt aus seinem dämmrigen Wachzustand: Elijah Price aka „Mr. Glass“ (Samuel L. Jackson), der alte Kontrahent von David, plant den Ausbruch und die Offenbarung ihrer Fähigkeiten vor der ganzen Welt…

FAZIT:

Noch vor zwei Jahren, bevor SPLIT in die Kinos kam, hätten wir nicht einmal gedacht, hier von einer Trilogie zu sprechen. Und nun endet sie auch schon. Regisseur und Drehbuchautor M. Night Shyamalan vollendet mit GLASS vielleicht sein Opus Magnum, auf jeden Fall aber eine Superhelden-Filmreihe, die in dieser Form absolut einzigartig ist.

Was sie so besonders macht, sind die Helden, die jenseits unserer Heldenbilder liegen. Sie erinnern an „Dark Horse“-Figuren, die in ihrer tragischen Persönlichkeit gefangen nur einen Weg, eine Bestimmung für sich suchen und sich in dieser Suche verloren haben: Ein Mann, der ein Zugunglück als einziger überlebt und seine Unverwundbarkeit für die gute Sache nutzt. Ein Genie, das in all seiner körperlichen Zerbrechlichkeit an den Rollstuhl gefesselt ist. Und eine Hülle mit dutzenden von Persönlichkeiten, von denen „das Biest“, die Gefährlichste ist. Sie alle verbindet ihr Status als Sonderlinge, aber vielleicht auch die evolutionäre Fortentwicklung des Menschen. Wahre, ruhmreiche Helden sind sie nicht. Nein, zwei von ihnen sind mehr Schurken, den Unterhosentragende Vorbilder.

In GLASS stoßen die drei erstmals aufeinander. Das führt unweigerlich zu Spannung. So scheinen Kevins Persönlichkeiten besessen von David und David wiederum zeigt sich aggressiv gegenüber Elijah. Nur einer von ihnen schweigt sich lange Zeit noch aus: Die Titelfigur dieses Films. Elijah scheint ein gebrochener, sabbernder Mann zu sein, der nur noch dahinvegetiert. Doch in seinem Kopf zieht er bereits alle Fäden zu einem überraschenden Finale zusammen.

Alle sind sie davon überzeugt, dass sie Kräfte haben, die über das Vorstellungsvermögen der Gesellschaft hinausgehen. Doch haben sie das wirklich? Genau darüber wird nun in ihrem „Gefängnis“ geredet. Shyamalan stößt Fragen auf, die in unserer realen Welt logisch wären, in den Comic-Universen jedoch stets ignoriert werden. Aus einem zu Beginn recht rasanten, düsteren Heldenfilm wird eine Psychoanalyse offensichtlich kranker Geister: Wie viel Reales ist an den Wahrnehmungen von Kevin, David und Elijah? Sind sie wirklich Übermenschen? Sarah Paulson, bekannt aus AMERICAN HORROR STORY, geht in ihrer Figur als Ärztin diesen Fragen nach. Ihre Rolle ist die der Vermittlerin, der Ungläubigen – so scheint es jedenfalls.

GLASS lässt sich zunächst Zeit, um einen alten Bekannten wieder einzuführen: Bruce Willis, der bereits vor fast 19 Jahren die Rolle des David Dunn ausgefüllt hat, ist zurückkehrt. Seine Figur wirkt selbstbewusster, aber auch resignierter. Als Sicherheitsexperte betreibt er zusammen mit seinem Sohn einen kleinen Laden für Überwachungssysteme. Eben diese Gadgets helfen auch bei der Verbrechensbekämpfung. Willis spielt David ebenso leise, wie in UNBREAKABLE. Er ist ein Held, der die Öffentlichkeit meidet, ja gar zum Mythos der Stadt geworden ist.

Auch Samuel L. Jackson kehrt in seiner Rolle des Elijah Price zurück: Er spielt ihn stoisch und verleiht ihm einen kauzigen Charakter. Mit dem Erwachen blüht er auf, wird lebhaft ohne in Hektik zu geraten. Der Titel des Films macht es klar: Dieser Film stellt das fiese Supergenie ins Zentrum – wenngleich sich eben das erst gegen Mitte des Films wirklich offenbart. Aber eben dieses geduldig Abwarten macht Elijah zu einem fürchtenswerten Menschen.

Absolut überragend präsentiert James McAvoy seine rasante Wandlung zwischen den Persönlichkeiten, die im Körper seiner Figur Kevin Wendell Crumb schlummern. Es macht unfassbar viel Spaß ihm dabei zuzusehen, wie er von einer auf die andere Sekunde eine völlig andere Person ist. Immer noch Oscar-reif!

Auch wenn GLASS sowohl Fans von Thrillern und Actionfilmen durchaus ansprechen wird, liegt sein Schwerpunkt im Dialog, im Diskurs über Schein und Sein, über Übermenschen und darüber, ob sich die Gesellschaft vor diesen fürchten oder ihnen gar freundlich gegenüberstehen soll. Es sind ähnliche Ansätze, die wir bereits aus X-Men kennen. Nur das hier tatsächlich eine Offenbarung solch mutierter Menschen noch nicht stattgefunden hat. Vielmehr wird hier eine aus unserer realen Sicht authentische Geschichte erzählt, sie so in ihren Grundzügen in unsere Welt passen würde.

Regisseur M. Night Shyamalan verwebt in GLASS eine durchweg spannende und wendungsreiche Story. In manchen Szenen meint es der Regisseur jedoch etwas zu gut mit seiner Erzähllust. Und so kommt es zu einige langgezogenen Passagen, die dialoglastig auf ihre Konklusion warten. Ja, das große Ende der Trilogie hält gleich mehrere Überraschung parat, verfehlt aber unsere Erwartung eines gigantischen WOW-Effekts.

So ist GLASS vor allem ein unterhaltsamer und gut erzählter Thriller geworden, in dem einige Schockmomente auf uns warten, wir jedoch am Ende mit einem ernüchterten Gefühl zurückgelassen werden – aber warum sollte es uns auch anders ergehen als den Hauptfiguren dieser Trilogie? Und vielleicht liegt gerade in der Ernüchterung eine Befreiung…eine Offenbarung, in der „Es“ (Kevin), „Ich“ (David) und „ÜberIch“ (Elijah) vereint eine neue Ära einleiten?!

GLASS startet am 17.01.2019 in den deutschen Kinos.

von Jörg Gottschling

Bewertung:

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Quelle: Pressematerial Universal Pictures

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