Film,  Kinokritik,  Kritiken

PAIN & GAIN (2013)

Männer, Muskeln, schlechte Ideen.

Pain&Gain_Poster

Wenn Muskelmänner Ideen haben, dann kommt dabei oft nichts Gutes heraus. Das suggeriert uns zu mindestens die amüsante Komödie PAIN & GAIN. Wie in einer 90er Jahre Home-Video-Show durchlebt der Zuschauer eine überraschenderweise erfolgreiche Verbrecherbande mit all ihren Pleiten, Pech und Pannen.

INHALT:

Der Fitnesstrainer Daniel Lugo (Mark Wahlberg) ist es leid die schlaffen Bodys neureicher Säcke zu trainieren und sich deren Geschichten des Erfolges anzuhören. Nach einem Seminar bei dem Lebensberater und Fernsehstar Jonny Wu (Ken Jeong) ist Daniel eines klar: Er füllt sich zu Höherem bestimmt, denn er ist ein MACHER! Deswegen schnappt er sich seinen ebenso durchtrainierten wie erfolglosen Kumpel Adrian Doorbal (Anthony Mackie) und den Ex-Knacki Paul Doyle (Dwayne Johnson) und heckt mit seiner „Sun-Gym“-Gang einen durchtriebenen Plan aus, um sein Ziel zu erreichen:
Zusammen wollen Sie den Self-Made-Millionär und Oberarsch Viktor Kershaw (Tony Shalhoub) entführen und ihn dazu bringen sein Vermögen auf die drei zu übertragen.
Was wie ein guter Plan klingt, stellt sich bald als recht schwierig heraus. Nicht nur die Entführung selber funktioniert nicht auf Anhieb, sondern auch Viktor Kershaw ist einer zäherer Brocken als die drei dachten. Denn nicht mal sadistische Folter bringt den Millionär dazu sich seines Geldes entmächtigen zu lassen. Letztendlich macht sich Hartnäckigkeit bezahlt und das Vermögen wechselt doch noch irgendwie den Besitzer. Doch mit dem schönen, angenehmes Leben in Luxus der ruhigen Vorstadt kommen schnell die Schattenseiten des Reichtums. Der alteingesessene Detektiv Ed DuBois (Ed Harris) hängt sich an deren Fersen und die Probleme für die drei Muskelberge fangen jetzt erst so richtig…

FAZIT:

Der Film PAIN & GAIN beruht auf einer wahren Begebenheit und ist mehr Tragi-Komödie als ein wirklicher Actionfilm. Wer also auf einen Film im Stil von BAD BOYS (1995) hofft, der wird schnell enttäuscht sein, denn im Grunde gibt es nur eine Explosion.

Und dass, obwohl Michael Benjamin Bay bekannt für explosive Thriller und cooler One-Liner ist. So versucht der Regisseur und Drehbuchautor von PAIN & GAIN fast schon an ein authentisches Drama mit mehr Inhalt abzuliefern, als der normale Bay-Zuschauer gewöhnt ist, ohne jedoch seine Gewohnheiten als Filmmacher wirklich auszugeben. Doch genau hier liegt schon das Problem: Michael Bay kommt auch bei PAIN & GAIN nicht aus seiner eigenen Schublade heraus!

Aufgebaut wie ein 90er Jahre Musikvideo versuchte Bay in seiner gewohnten Form als Action-Regisseur in PAIN & GAIN an vielen Stellen Spannung zu erzeugen, wo leider keine ist. Schade ist auch, dass der in die Jahre gekommene Ed Harris immer noch eine Präsenz ausstrahlt, die auch heute noch den Zuschauer in den Kinosesseln fesselt und damit durchaus für Spannung gesorgt hätte, diese jedoch von Bay nur selten eingesetzt wurde. Ein Detektiv, der nur zum Fotos machen da ist und der sein volles Potential nicht ausleben kann, ist schlichtweg überflüssig.
Obendrein walten stümperhafte Verbrecher ihres von Fehlern und Missgeschicken übersäten Werkes, leben beinahe friedlich vor sich hin und werden einfach nicht von der Polizei gefasst – Ja, nicht einmal gejagt. So recht möchte das kein Zuschauer glauben, wenn es nicht wirklich so passiert wäre.
Wenn Michael Bay ernsthaft versuchen würde, einen anspruchsvollen Arthouse-Film zu drehen, so würde unabwendbar PAIN & GAIN dabei herauskommen. So ist der Film in vielen Punkten nicht mehr als eine oberflächliche Momentaufnahme eines guten Dramas, die sich mit viel Witz versucht in das Unterhaltungsgenre einzuschleichen.
Und letzteres funktioniert tatsächlich sehr gut. Denn wenn PAIN & GAIN eine Qualität hat, dann ist es der charmante Humor unter der Gürtellinie: Gerade die enge Gratwanderung zwischen derben Humor und fieser Gewalt ist ein wahres Lei(d)motiv des Bayischen Films und erhöht den Unterhaltungswert von PAIN & Gain um ein Vielfaches.
So darf der Zuschauer in PAIN & GAIN den dreckigsten MONK aller Zeiten erleben. Nicht tot zu bekommen vegetiert Tony Shalhoub als Self-Made-Millionär Victor Kershaw vor sich hin und motzt aus allen noch vorhandenen Rohren. Eine Freude für jeden Choleriker und solche, die es werden wollen.
Jeder braucht einen Jonny Wu, der das Leben auf den Punkt bringt und anhand von drei Finger erklären kann, worauf es wirklich ankommt. In PAIN & GAIN jedoch ist er leider nur eine kurze, schlechte Lachnummer, die auch der Schere hätte zum Opfer fallen dürfen. Der Film braucht Ihn nicht, um zu funktionieren. Das Kino hingegen verlangt ihn scheinbar.

Der Cast der „Sun-Gym“-Gang ist im Grunde passend gewählt, scheitert aber an der Ausführung: Klar. Bay brauchte smarte Männer mit Kraft. Und Mark Wahlberg in der Hauptrolle als Bandenführer Daniel Lugo passt in vielen Punkten, ist sogar in mancher Hinsicht autobiographisch untermalt. Doch Wahlberg kommt zwar gewohnt smart und cool da her und glänzt durch Muskel- und Hirnmasse, verpasst dann aber den Sprung in die Tiefe seiner Rolle.
Anthony Mackie als Adrian Doorbal hingegen ist noch schlimmer dran. Denn nicht nur seine Rolle wirkt irgendwie undankbar, sondern er selber ist auch noch austauschbar. So mimt er den Klischee-Schwarzen mit Potenzproblemen und bleibt irgendwie nicht so richtig beim Zuschauer haften.
Der wahre Held von PAIN & GAIN ist Dwayne „The Rock“ Johnson. Mit seiner weichen, zerbrechlichen Rolle zeigt Johnson dem Zuschauer, dass mehr in ihm steckt, als nur Muskeln. Denn als christlich-motivierter, rehabilitierter Ex-Knacki und koksabhänigier Vorstadtjuppie sorgt gerade seine zwiespältige Rolle für einen Witz im Film, der wirklich hängen bleibt.
Der Film PAIN & GAIN versprüht einen sehr versteckten 90er Jahre Charme, der zusammen mit kleinen, vornehmlich im Hintergrund agierenden Details den Wert dieses Michael Bay Films weiter steigert. Auch die Musik passt perfekt auf den Film. Jedoch hätte es dem Gesamtwerk besser getan die Originale aus den 90ern zu verwenden, statt auf modern getrimmte Remakes zu setzen. Denn damit holt man das Publikum heraus aus der Zeit des Films und entfernt diese unterbewusst von der charmanten Atmosphäre des 90er Jahre Trashs.
Am Ende zeigt uns Michael Bay in PAIN & GAIN, dass der typische Muskelbuddy zwar auch Gehirn hat, sich aber ziemlich grobschlächtig und dämlich anstellt, wenn es um die Ausführung seines Plans geht. PAIN & GAIN ist mit Sicherheit nichts für echt Bodybuilder. Dafür werden diese einfach zu sehr aufs Korn genommen. Als kurzweilige Abendunterhaltung unter Kumpels ist PAIN & GAIN jedoch genau das richtige, um ein Bier zu zischen und abzuschalten.

von Jörg Gottschling

Bewertung:

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Bildquelle: Pressematerial Paramount Pictures 2013

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