My Stuff - Filmkritik
Film,  Kinokritik,  Kritiken

MY STUFF (2015)

Eine Befreiung vom Ballast des Lebens.

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So völlig ohne alles Leben? In unserer heutigen Konsumgesellschaft eigentlich nicht mehr vorstellbar, oder? Unmerklich sammelt sich unweigerlich und über Jahre hinweg jede Menge Krempel, Zeug und Firlefanz an. Ohne Frage ein bekanntes First-World-Problem und doch eines, das gar nicht so leichtfertig abgetan werde darf. In MY STUFF wird eben dieses Problem thematisiert:

INHALT:

Petri ist 26, ein Single und experimentierfreudig. Solche, wie ihn, gibt es viele, doch was macht ihn wirklich glücklich und was braucht er zwingend zum Leben? Diese Fragen beschäftigen ihn schon seit geraumer Zeit. Denn er hat einfach zu viel Zeug, konnte sich davon jedoch bisher nicht trennen. Nun stellt er fest: Seine Sachen definieren ihn, engen ihn ein und verlangen viel mehr, als sie ihm einst gaben. Deswegen wagt er den Schritt, zu dem so viele Menschen nicht in der Lage sind. Er lagert für ein Jahr alle seine Sachen aus seiner Wohnung aus. Jeden Tag darf er sich genau ein Teil aus dem Lager nehmen. Mit anderen Worten sind genau 365 Dinge erlaubt. Wird das ausreichen?

FAZIT:

MY STUFF ist ein mutiges Experiment voller kleiner Hürden des Alltags. Denn selbst die kleinste Frage nach den richtigen T-Shirt oder Hemd wird in MY STUFF zu einer bedeutungsschwangeren Entscheidungen. Jeder neue Gegenstand ist dabei eine wertvolle Bereicherung, wenngleich er noch so banal erscheint: Eine Matratze auf dem Boden ist ein am siebten Tag ein liebgewordenes Kuschelobjekt für die kalten Nächte einer winterlichen Stadt. Die Zeitung hingegen erlebt in Petris Leben eine Renaissance und wird als neues altes Entertaiment-Medium zum idealen Zeitvertreib in einer ansonsten leeren Wohnung.

Petris Leben ändert sich dadurch von Grund auf und doch stellt er schon nach 10 Tagen fest, dass er sich nicht mehr entscheiden kann. So beginnt er nur noch unregelmäßig das Lager aufzusuchen und sich Prioritätenlisten anzufertigen. Er verteilt Punkte und steigt immer wieder in die Tiefen seines Lagers ab. Längst vergessene Dinge kommen zum Vorschein und plötzlich erhalten andere Sachen eine höhere Priorität als noch in der Zeit, in der er zu allem Zugang hat.

Petri strukturiert sein Leben völlig neu, und doch fehlt etwas. Gerade das aufrechterhalten des Kontakts zu seinen Freunden wird zu einer fast unüberwindbaren Hürde. Hier zeigt sich die Krux in einer auf ständige Erreichbarkeit aufgebauten Welt. Denn ohne Telefon und Internet bleibt Petri nicht auf dem Laufenden und kann auch in seinem Job nur schwer kommunizieren oder seiner Arbeit als Regisseur nachgehen. Erst nachdem er den Laptop wieder zu sich geholt hat und das Internet von seinen Nachbarn nutzt, verbessert sich sein Kontakt zu seinen Freunden wieder – Diese Wahl äußert sich in Petris Experiement wie eine erzwungene und notwendige Aufgabe und ein Zugeständnis an eine Gesellschaft, die für sein Experiment nicht mehr bereit geschweige denn geeignet ist.

Nach 153 Tagen stellt sein kleiner Cousin eine gute Frage: Was hat er im letzten halben Jahr am meisten vermisst? Es ist nicht die Sonnenbrille oder seine Schallplattensammlung, ja nicht mal den Fernseher hat er vermisst. Vielmehr vermisst er die Nähe zu einem anderen Menschen. Er wünscht sich eine Frau an seiner Seite – und tatsächlich lernt er bald jemanden kennen. Mit ihr hatte er alles was er brauchte und sein Lager scheint vergessen.

Doch dann wird seine Großmutter, die ihn das ganze Jahr über mit Rat und Tat zur Seite stand, krank und landet im Krankenhaus. Bald wird klar, dass sie nicht mehr alleine Leben kann und ins Heim muss. Nun muss Petri und sein Bruder die Wohnung ihrer Oma ausräumen. Petri steht vor einer paradoxen Situation. Seine Sachen einzulagern und aufzugeben viel ihm leicht, doch all die Dinge seiner Großmutter sind voller Erinnerungen und erhalten eine emotionale Gewichtung – Er würde man liebsten alles selbst behalten.

Aus einem Leben im Überfluss, wird ein konsumbewusstes Leben. Zeitgeistlicher könnte ein Film heutzutage gar nicht sein. Doch MY STUFF ist nicht nur ein Experiment über den Sinn und Unsinn von Konsumgütern, sondern es ist die Geschichte von einem jungen Mann, in dessen Leben der Zuschauer für ein Jahr eindringen darf. Es ist ein Leben, das nicht mehr von Dingen definiert wird und an dessen Ende ein Lager immer noch voll, aber das Leben deutlich leichter geworden ist.

Der Dokumentarfilm MY STUFF startet am 05.03.2015 in ausgewählten deutschen Kinos.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Rise and Shine Cinema 2015

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Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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