Rumpelkiste #3: Disney-Serien der 90er
Noch bevor der Disney Channel mit einem vierundzwanzig-stündigen Programm voller Sing, Sang und Knuddelspaß die Kleinen verzückte, gab es schon Disney-Zeichentrickserien. Die liefen verstreut über alle Sender und holten die Kinohelden auf die heimischen Flimmerkisten. Warum diese Serien unsere Kindheit prägten? Und warum wir auch heute noch gerne reinzappen? Jörg verrät es euch in einer neuen Rumpelkiste.
Von Classic Cartoon zur Serie
Disney produzierte seit je her kleine Kurzfilme. Heute sind sie bekannt als Classic Cartoons oder Silly Symphonies. Ein Cartoon aus dem Jahre 1928 ist geradezu ikonisch: Mickey Maus fährt mit einem kleinen Dampfschiff über einen Fluss und pfeift fröhlich ein Lied. Der Cartoon heißt „Steamboat Willie“. Genau genommen, handelt es sich hierbei um den ersten Tonfilm mit Mickey Maus. Dieser heißt hier noch Mortimer Maus und war vorab bereits in so manchem Stummfilmen zu sehen. „Steamboat Willie“ startete eine neue Ära im Zeichentrick: Die Maus wurde weltberühmt und die Cartoons, die darauf folgten, wurden zu echten Klassikern des Genres.
Damals dachte der Mauskonzern noch nicht daran, Geschichten in Serie zu produzieren. Ohnehin war die Herstellung von Zeichentrickserien sehr aufwändig. Deswegen setzte Disney seinen Schwerpunkt auf Zeichentrick-Spielfilme. Doch im Laufe der Jahrzehnte wandelte sich auch die Fernsehlandschaft. War zunächst das Fernsehprogramm eher auf Erwachsene ausgelegt, wuchs eine Zielgruppe heran, die ihre eigenen Sendungen haben wollte. Vorreiter, die diesen Bedarf deckten, waren die Hanna Barbera Studios. Sie produzierten bereits 1960 FAMILIE FEUERSTEIN und wurden mit den JETSONS, SCOOBY DOO oder YOGI BÄR zum Marktführer für Zeichentrick im TV.
Disney konzentrierte sich eher auf seine Classic Cartoons und Kinofilme. Ins Seriengeschäft stieg der Mauskonzern erst Mitte der 1980er Jahre ein. Dann aber mit einem Wumms: DIE GUMMIBÄRENBANDE, DUCKTALES und CHIP UND CHAP waren genau das, was die Kinder der Welt immer wollten.
Alles begann mit einer Bärengemeinschaft: DIE GUMMIBÄRENBANDE kam bereits 1985 und lief bis 1991. Insgesamt 65 Folgen wurden produziert und eine komplette eigene Welt mit sehr detaillierter (Bären-)Mythologie erschaffen. Die Serie handelt von ganz besonderen Fellträgern, die durch einen Zaubertrank wie ein Flummi durch die Wälder hüpfen können. Das machen sie nicht nur aus Jux und Tollerei, sondern um sich vor den fiesen Kobolden und ihrem Anführer Herzog Sigmund Igzorn zu schützen. Dieser strebt nach ihrem Geheimnis. Doch Cubbi, Grammi, Gruffi, Sunni, Tummi und Zummi sind viel zu schlau und haben auch noch menschliche Freunde, die ihnen bei jedem Abenteuer helfen.
Und jetzt mal alle laut mitsingen:
Enten in Action
Zwei Jahre später, im Jahre 1987, besuchten die DUCKTALES erstmals als Serie die heimischen Wohnzimmer. Die Geschichten aus Entenhausen dreht sich um Dagobert Duck, seine drei Neffen und allen weiteren Enten, die für den geizigen Milliarden arbeiten. Und wenn nicht gerade eine fiese Hexe und ein paar dümmliche Panzerknacker versuchen, an Dagoberts ersten Kreuzer zu gelangen, reißt die Familie quer durch die Welt und sogar durch die Zeit und erlebt allerhand Abenteuer. Vor kurzem wurde die Serie wieder neu aufgelegt. Der Stil und der Rhythmus der Serie hat sich verändert, doch im Inneren sind es immer noch die selben Enten, die wir so mögen.
Es sollten damals nicht die einzigen Enten gewesen sein, denen wir in eigenen Serien begegnen. In QUACK PACK (1996) ist Donald kein Seemann mehr. Zurückkehrt in Entenhausen, kann er sich endlich selbst um seine Neffen kümmern. Die sind mittlerweile im Teenageralter angekommen. Das macht das alltägliche Chaos natürlich nur perfekter. Deutlich frecher und schneller als DUCKTALES setzt QUACK PACK auf Coolness und völlig abstruser Handlungen. Im ähnlichen Stil kam ein paar Jahre vorher auch GOOFY & MAX (1992 – 1993) daher. Hier wird eine liebevoll-chaotische Vater-Sohn-Geschichte erzählt, in der Goofy seinen Hang zur Tolpatschigkeit voll ausleben kann. Ganz zum Leidwesen seines Sohnes. Dem ist ein Vater in vielen Situationen sehr peinlich. Vor allem dann, wenn Nachbar Karlo mal wieder mit seinem komfortablen Leben angibt.
Rettungstruppen, Fliegerasse & nächtliche Rächer
Die dritte Disney-Serie erzählte von ganz kleinen Helden: In CHIP UND CHAP – DIE RITTER DES RECHTS (1989 – 1990) setzten sich zwei aus den Classic Cartoons bekannten Eichhörnchen für die gute Sache ein. Als Ahörnchen und Behörnchen haben sie noch Donalds Weihnachtsfest fast ruiniert. Nun sind sie Chip und Chap, die wie Doppelgänger von Indiana Jones und Magnum aussehen. Mitten in der Menschenwelt gibt es eben auch böse Tier-Schurken. Genau diese gilt es aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei helfen ihnen die technikbegeistert Trixi und der verfressene Samson sowie die kleine Fliege Summi.
Wem der chaotische Familienalltag nicht reichte, der durfte sich mit KAPIT’N BALU UND SEINE TOLLKÜHNE CREW (1990 – 1991) in die Lüfte erheben. Seine „Wildgans“ ist ein Frachtflugzeug, das ihn auf seinen Aufträgen in ferne Landstriche und auf abenteuerliche Reisen führt. Dicht im Nacken sind ihm dabei stets Luftpiraten. Wie gut, dass seinem kleinen Kumpel Kid immer einen Kniff einfällt, um aufkommende Probleme zu lösen. In der Serie treffen wir auf viele bekannte Gesichter aus Disney DSCHUNGELBUCH, die nun in einer zivilisierten Gesellschaft richtigen Berufen nachgehen.
DARKWING DUCK (1991 – 1992) war eine ganz andere und eigene Entenserie. In St. Erpelsburg, dem Disney-Pendant zu Gotham City, streift nachts ein Rächer umher, der sich gegen die zahlreichen Verbrecher der Stadt stellt. Darkwing Duck wird dabei von seiner Tochter und Bruchpilot Quack unterstützt. Er spielt also im selben Universum, wie die DUCKTALES.
Kinohelden in Serie
Waren die Eigenkreationen rund um Entenhausen schon fantastisch, bediente sich Disney bald auch an seinen erfolgreichen Zeichentrickfilmen. Warum auch nicht? Kaum im Kino, war die Popularität auf dem Höhepunkt und das Interesse an noch mehr Geschichten um die Helden riesig. Mit der neuen Infrastruktur im Fernsehen konnten die Serien zudem alle erreichen. Wir durften bald mit ARIELLE (1992 – 1994) Abenteuer in der Tiefsee bestehen, ins Ferne Agrabah zu ALADDIN (1994 – 1995) reisen und mit TIMON UND PUMBAA (1995 – 1999) die Steppe erkunden – und das alles jede Woche!
Später folgten mit HERCULES, TARZAN, DSCHNGELBUCH-KIDS und LILO & STICH weitere Serienableger zu erfolgreichen Disney-Filmen. Die jüngsten Serien entführen uns in Märchen RAPUNZEL und DIE EISPRINZESSIN.
Zwischen Schulwahnsinn & Familienstress
Disney kann nicht nur klassisch und populär, sondern ist auch mutig mit komplett neuen Formaten. Die sind manchmal sogar ähnlich abgefahren und irre, wie CARTOON NETWORK-Produktion ala ROCKOS MODERNES LEBEN oder REN AND STIMPY. Einen ungewöhnlich, simplen Grafikstil hat hier DOUG (1991 – 1999). Die Geschichte von einem Jungen, der es gar nicht so leicht hat und seine Erlebnisse in ein Tagebuch schreibt, ist wirklich nicht sofort als Disney-Werk zu erkennen. Kein Wunder, denn die Serie ist ursprünglich gar nicht von Disney. Der Mauskonzern kaufte 1996 nur die Lizenz und führte die Serie weiter. Die Story um den Teenager Doug ist voller Rückblicke und Verrücktheiten und erfrischend bekloppt. Wir begleiten ihn bei seinem täglich-chaotischen Leben zwischen Schule, Freizeit und Familienstress. Umrahmt wird die Geschichte durch seine Tagebucheinträge.
Eine ähnliche Schiene fährt auch PEPPER ANN (1997 – 2000). Ein Mädchen, dass irgendwie in ihrer eigenen verkopften Welt lebt. In die selbe Kerbe schlagen auch DISNEY GROSSE PAUSE (1997 – 2001) und später auch DIE WOCHENEND-KIDS (2000 – 2004). In beiden Serien ist es gleich eine ganze Gruppe von Kindern, die gemeinsam ein aufregende Alltagsabenteuer bestehen.
Besonders aufregend, wenn nicht gar kriminalistisch spannend, ist die Serie FILMORE! (2002 – 2004). Die gehört zwar nicht mehr zu den klassischen 90er Serien, besticht aber durch einen neuen Ansatz: Wie begleiten Hauptfigur Filmore durch den Schultag. Als Mitglied der Schulaufsicht seiner (wirklich gigantisch großen) Schule, löst er im Stil guter, alter Polizeiserien verschiedene Fälle: Mal handelt es sich dabei um Vandalismus, mal um Diebstahl und sogar die eine oder andere Entführung ist dabei.
Große Helden & Serien-Sonderlinge
Bleiben wir doch gleich bei spannenden Kriminalfällen: Eine der unbekannteren Disney-Zeichentrickserien ist BONKERS, DER LISTIGE LUCHS VON HOLLYWOOD (1993 – 1995). Hier jagt ein quirliger Luchs gemeinsam mit einem korpulenten und dauer-genervten Polizisten Lucky Piquel zusammen Verbrecher. Die Serie springt auf den Hype von FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT auf. Denn Bonkers D. Bobcat war einst ein Hollywoodstar und ist nun Polizist für die ganz besonderen Fälle in den Filmstudios. Ebenso verrückt wie Roger Rabbit tickt auch Bonkers manchmal ziemlich aus – zum Leidwesen seines Partners. Was BONKERS so besonders macht, ist der Ansatz: Die Disney-Figuren sind Stars in Hollywood. In diesem Umfeld geschehen Verbrechen. So kommt es vor, dass das Ermittlerduo die eine oder andere Disney-Gesicht in den Filmstudios trifft.
MIGHTY DUCKS – DAS POWERTEAM (1996) fällt aus dem Rahmen der süß-irren Knuddlserien. Denn hier geht es richtig zur Sache: Die Serie basiert auf den Teenager-Eishockeyfilmen mit Emilio Estevez, handelt aber von außerirdischen Enten aus Puckworld. Lord Dragaunus hat ihre Heimatwelt unterjocht. Die Helden können flüchten und landen auf der Erde. Von hier aus versuchen sie nicht nur ihr Volk wieder zu befreien, sondern werden auch noch nationale Eishockeystars. Einfach großartig-bekloppt.
Ebenfalls komplett aus der Reihe der knuffligen Disney-Serien fällt GARGOYLES – AUF DEN SCHWINGEN DER GERECHTIGKEIT (1994 – 1997). Die Serie sollte eigentlich deutlich lustiger werden, doch die Geschichte dahinter verlangt nach Dunkelheit: Sie handelt von dem Gargoyle Goliath, der einst von den Menschen als ihr nächtlicher Beschützer hochgeschätzt wurde. Doch die Menschen wandten sich von ihm und seiner Art ab. Nur dank der Hilfe von treuen Freunden konnte er und einige Wenige seiner Freunde von dem Tod bewahrt werden. Jahrhunderte später, in unserer Gegenwart, erwacht er mitten in New York wieder zum Leben. Schnell lernt er, dass sich die Menschen nicht geändert haben. Nun ist er es, der von menschlichen Freunden beschützt werden muss.
GARGOYLES ist eine Ausnahmeerscheinung unter den Disney-Serien und deutlicher erwachsener als alles andere. Mit FSK 12 liegt die Altersempfehlung auch entsprechend hoch. Dabei ist die Serie nicht nur verhältnismäßig brutaler und düsterer, sondern sie vermittelt trotzdem noch die guten Disney-Werte.
Wer über Sonderlinge unter den Disney-Serien reden möchte, der kommt nicht drum herum, auch kurz ein paar Worte zu WILLKOMMEN IN GRAVITY FALLS (2012 – 2016) zu verlieren. Die Zeichentrickserie ist zwar alles andere als 90er, aber sie zählt mit Abstand zu dem Besten, was Disney in den letzten 30 Jahren produziert haben. Diese Mischung aus Fantasie, Quatsch und tatsächlich so etwas wie einer stringenten Story gab es seit DIE GUMMIBÄRENBANDE nicht mehr. Der durchweg freche, ungezügelte Ton erinnert dabei an DIE SIMPSONS oder SOUTH PARK. Diese Serie ist definitiv nicht nur an die ganz Kleinen gerichtet und in sich einfach fantastisch witzig.
Der Disney Club in Deutschland
Die zentrale Anlaufstelle für alle Disney-Fans der 90er Jahre war der Disney Club. Eine fast dreistündige Spieleshow, die in der ARD lief und in der auch Zeichentrickserien ausgestrahlt wurden. DUCKTALES, KAPIT’N BALU, ARIELLE oder DARKWING DUCK hatten hier ihre Deutschlandpremiere. Mag man heute gar nicht mehr glauben.
Jedoch wanderte die Lizenz nach nur wenigen Jahren weiter an RTL. So entwickelte sich der Disney Club zum Tigerenten Club. RTL baute mit seinen neu erworbenen Serien den Samstagsmorgen zum neuen Disney Club aus, die dem in einem Serienmarathon fünf bis sieben Serien hintereinander liefen: ALADDIN und TIMON UND PUMBAA liefen bei RTL erstmals in Serienform. Diese Disney Club erhielt jüngere Moderatoren, hatte aber keinen Show-Charakter mehr.
Sonntag lief darüber hinaus noch die Disney Filmparade. Hier präsentierte kein geringerer als Thomas Gottschalk einen Disney-Spielfilm, aber das wäre eine eigene Rumpelkiste wert. Die Kooperation zwischen der RTL-Gruppe und Disney ist noch heute sehr ausgeprägt. Das kann man vor allem am Programm von SuperRTL spüren, wo neuere Serien wie PHINES AND PHERB oder GRAVITY FALLS laufen.
Eine der aktuellsten Serie ist das DUCKTALES-Reboot (seit 2017). Die Serie trifft des Geist von einst, setzt aber auch neue Akzente. Uns gefällt das Reboot, wenngleich wir uns nicht sicher sind, ob es überhaupt nötig war. Macht euch einfach mal selbst ein Bild davon: Die neusten Folgen von DUCKTALES laufen aktuell im Disney Channel.
Schlussbemerkung
Mit Sicherheit sind noch einige anderen Serie ebenfalls mehr als eine Erwähnung wert. KIM POSSIBLE oder DIE GARDE DER LÖWEN zum Beispiel, aber auch die Serien sind kein Kind der 1990er. Dieser Text hat zudem gar nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Mittlerweile gibt es einfach zu viele Serien. Vielmehr wollten wir euch mitnehmen auf eine kleine Reise zu den Anfängen der Disney-Serien. Vielleicht habt ihr hier einen längst vergessenen Schatz wiederentdeckt? Oder ihr habt richtig Laune bekommen, mal in die eine oder andere Serie reinzuschauen? Vielleicht ist das bald mit dem neuen Streamingdienst Disney+ sogar möglich, der Ende 2019 auch bei uns starten soll?
Lasst uns wissen, wenn etwas für euch dabei war oder wir eine wichtige Serie vergessen haben. Und welche Disney-Zeichentrickserie schaut ihr eigentlich am liebsten? Wir sind gespannt auf eurer Feedback.
2 Kommentare
Jolene
Schöner, nostalgischer Beitrag. Habe Doug und Pepperann als Kind geliebt. 🙂
Der Filmaffe
Das waren auch wirklich fanatische Serien. 🙂