Brian de Palma beherrscht spannendes, mitreißendes Kino, das hat er in vielen Genres bewiesen: im Kriegsdrama (DIE VERDAMMTEN DES KRIEGES, 1989), im Gangsterfilm (SCARFACE, 1983) oder auch im Horrorfilm (CARRIE, 1976). Doch der Thriller ist und bleibt seine Spezialität: Nicht nur in seinen bekanntesten Thrillern THE UNTOUCHABLES (1987), SPIEL AUF ZEIT (1998) oder auch MISSION IMPOSSIBLE (1996) beschwor er stets eine packende Atmosphäre, die den Zuschauer nie loslässt.
Bei DRESSED TO KILL wandte er sich dem erotischen Psychothriller zu, kommt hier aber trotz einiger überraschender Plot Points qualitativ nicht an seine sonstigen Werke ran – dafür wandelt er anspielungsreich auf den Spuren Hitchcocks zwischen VERTIGO (1958) und PSYCHO (1960).
INHALT:
Wie auch schon de Palmas Horrorklassiker CARRY beginnt DRESSED TO KILL mit einer Duschszene, die in einem heftigen Schockmoment mündet: Kate Miller (Angie Dickinson) genießt ihre heiße Dusche, während sie ihrem Ehemann beim Rasieren zuschaut und sich dabei selbst berührt. Plötzlich tritt hinter ihr ein fremder Mann hervor und nimmt sie gewaltsam – glücklicherweise nur ein Traum von Kate; oder etwa eine lustvolle Fantasie?
Denn die sexuell frustrierte Kate leidet unter ihrer eintönigen und langweiligen Ehe und sucht Hilfe bei dem Psychiater Dr. Elliott (Michael Caine). Er rät ihr, ihren Fantasien Raum zu geben. Kate gibt sich daher noch am selben Tag einem komplett fremden Mann hin und geht mit ihm ins Hotel. Doch dieses Treffen wird Kate kurz darauf schwer bereuen…
FAZIT:
DRESSED TO KILL ist de Palmas Hommage an die Thriller Hitchcocks. Vergleiche mit PSYCHO werden in Kritiken und auch im Klappentext der Blu-ray herangezogen. Merkwürdigerweise wird hier immer die Duschszene als Begründung für die Ähnlichkeit der Filme genannt, dabei hat sie recht wenig gemein mit der berüchtigten Szene aus PSYCHO: bei de Palma ist sie erotisch aufgeladen, weniger brutal und ganz anders geschnitten als bei Hitchcock; vom Inszenierungsstil ähnelt sie viel mehr der Anfangsszene von CARRIE. Auch die Mordszene im Fahrstuhl von DRESSED TO KILL hat inszenatorisch nicht allzu viel Ähnlichkeit mit PSYCHOs Duschszene. Lediglich die Musik erinnert hier an die hackenden Geigen. Der Vergleich zu PSYCHO ist trotzdem durchaus gerechtfertigt, allerdings weniger wegen der Duschszene als wegen einiger PSYCHO-artiger Plot-Wendungen, derer sich DRESSED TO KILL bedient. Die Nähe zu PSYCHO kommt allerdings erst nach dem ersten Plot Point auf. Zuvor ist die Inszenierung näher an VERTIGO als an PSYCHO, nicht zuletzt wegen einer Szene im Museum, die gezielt Hitchcocks Meisterwerk zitiert.
Doch de Palma kommt in seinem Erotik-Psychothriller nie an die Originalität und Glaubwürdigkeit seiner Hitchcockschen Vorbilder heran. Das liegt unter anderem an der störenden Musik, die nicht immer zu den Bildern passt. Der Score ist eine wunderschöne, wildromantische Melodie, die Bilder des Films sind allerdings die eines dunklen Psychothrillers. Wo die Bilder oft also Spannung erzeugen sollen, entsteht durch die Unterlegung mit der schönen Musik eher eine kitschige Atmosphäre. Das erzeugt nicht nur eine merkwürdige Diskrepanz, die Bilder und die Story, die sie erzählen, verlieren auch an Glaubhaftigkeit.
Aber auch fehlende Spannung ist ein Manko des Films. Nach der anfänglichen Duschszene, die durchaus ihren Reiz hat, fehlt sie zunächst einmal gänzlich. Die Inszenierung ist langsam und schwerfällig, nur Hitchcock-Verweise vermögen das Interesse zu halten. Doch dann kommt nach etwa 30 Minuten der erste raffiniert gesetzte Plot Point, durch den der Film komplett seine Richtung ändert. Bisher sahen wir einen seichten Erotikfilm, nun entwickelt sich der Psychothriller und die Spannung setzt ein. In vielen Szenen kommt de Palmas hervorragender Inszenierungsstil zur Geltung, wenn er eine intensive Atmosphäre voller Thrill und Suspense kreiert, aber leider sind dies immer nur einzelne Szenen. Die Spannung bleibt nicht durchweg erhalten.
Zugegeben: Die Latte ist mit einem Hitchcock-Vergleich auch sehr hoch gelegt worden. Trotz seiner kleinen Fehler bietet DRESSED TO KILL zweifellos gute 80er Jahre Thriller-Unterhaltung. Wenn er auch bei weitem nicht so raffiniert und durchdacht ist, wie man es sonst von de Palma gewohnt ist, macht er dennoch Spaß und unterhält über weite Strecken wunderbar altmodisch.
DRESSED TO KILL erschien am 14. September 2018 bei Filmconfect auf Blu-ray und ist erfreulicherweise mit vielen Extras ausgestattet: In über 65 Minuten bekommt man viele Hintergrundinformationen zum Film geliefert, unter anderem in einem 45-minütigen Making Of und in kurzen Beiträgen zur Zensurgeschichte des Films. Die Extras machen Lust, den Film gleich ein weiteres Mal anzuschauen, da sie auf einige versteckte Hinweise im Film aufmerksam machen, die erst beim zweiten Sehen auffallen. Von da her: An der Ausstattung der Blu-ray gibt es nichts auszusetzen!
von Benjamin Wirtz
Bewertung:
Quelle: Pressematerial Filmconfect Home Entertainment GmbH
Hey, ich bin angehender Cineast, großer Kinofreund und interessiert an jeder Art von Filmen. Deshalb steht in meinem DVD-Regal Godard neben Besson, die „Alien“-Box neben der Truffaut-Box, „Saw“ neben „Frau ohne Gewissen“ und „Panzerkreuzer Potemkin“ neben „2-Headed-Shark-Attack".