The Cleaners - Filmkritik - Review der Dokumentation
Kinokritik,  Kritiken

THE CLEANERS (2018)

Über die Dreckwegtruppe im Internet

THE CLEANERS erzählt uns von der seltsam-erdrückenden Arbeit der Social Media Müllabfuhr. Jeden Tag überprüfen und löschen diese Menschen aus dem fernen Asien Videos, Kommentare und Bilder. Durch dieses Marathon-Filtern halten sie Facebook, Twitter, YouTube und Co. sauber. Doch was sie zu sehen bekommen, schadet ihnen. Es ist eine investigative Dokumentation über eine Schattenindustrie und über gebrochene Menschen…

INHALT:The Cleaners - Poster | Dokumentarfilm

Hasskommentare, Kinderpornografie, Rechtsextremismus, Terrorismus, Krieg und Mord – das alles ist für diese Männer und Frauen Alltag. Sie haben einen einzigen Auftrag: Aufräumen. Bis zu 25.000 Fotos am Tag schauen sie sich an. Jeder hat seine Spezialisierung. Jeder muss ein gewisses Pensum schaffen. Und nur zwei Fehler darf man sich im gesamten Monat erlauben. Hochkonzentriert sitzen sie an ihren Rechnern. Schauen sich Bilder und Videos in fremden Sprachen an und fällen ihre Entscheidung: „ignorieren, löschen, löschen, löschen, ignorieren…“ Sie wurden ausführlich geschult, sind Experten darin geworden, die Schlüsselwörter herauszulesen.

Dank ihnen ist unsere Stream in den sozialen Netzwerken sauber. Doch sie bezahlen dafür einen hohen Preis. Denn sie müssen sich jeden Inhalt genau anschauen. Eine psychische Belastung, die man sich kaum vorstellen kann, hat man es nicht selbst mitgemacht.

Obendrein ist es eine geheime Industrie, über die keines der großen Online-Unternehmen aus Sillicon Valley gerne sprechen möchte. Sie haben ihre Müllabfuhr in günstigen Ländern outgesourcet. Dort herrschen harte Arbeitsbedingungen. So hart, dass die Arbeitsverträge wie eine Drohung wirken und sogar manche Mitarbeiter den Freitod führten.

FAZIT:

Die Dokumentation THE CLEANERS ist die Arbeit deutscher Filmemacher, die sich mit ehemaligen Mitarbeiter von „Aufräumfirmen“ getroffen haben und sogar mit Menschen in Kontakt standen, die nach wie vor für solche Unternehmen arbeiten, die Social Media Kanäle sauber halten. Was wir in diesem Film erfahren, ist gleichermaßen emotional und persönlich, wie distanziert-lakonisch.

Wir lernen abgestumpfte Menschen kennen, die alle Schrecken der Welt und jede nur erdenkliche Perversion gesehen haben. Sie wühlten sich durch den Unrat menschlicher Ergüsse in Social Media, erhielten für diese Arbeit Geld. Kein fairer Deal. Denn diese Inhalte haben sie kaputt gemacht. Sie kamen aus ihren Verträgen nicht so leicht raus, gingen Verpflichtungen ein, die einen Pakt mit dem Teufel gleichen.

Auf der anderen Seite kommen führende Köpfe von Facebook, Twitter und Youtube zu Wort. Sie rühmen sich mit ihrem Filtersystem, rühmen sich damit, einen wichtigen Teil für die Erinnerungskultur beizutragen. Diesen Argumenten kann man sich nicht entziehen. Erst recht, weil sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind und entsprechend sensibel mit Inhalten umgehen. Im Alltag bekommen wir von all dem nichts mit. Das spricht für die gute Arbeit, die auf den Führungsebenen wie auch in Fernost geleistet wird. Und so stellt sich die Frage, wer hier der wahre Feind ist.

Sind es die großen Social Media Unternehmen? Sind es die Subunternehmen in Fernost? Oder sind es diejenigen, die diese Inhalte verbreiten? Eine eindeutige Antwort lässt sich nicht finden. THE CLEANERS gelingt hier der Spagat, gibt zumindest den Online-Konzernen und den Mitarbeiter der Subunternehmen einen Raum, sich zu äußern. Andere Seiten fehlen. So ist der Film ein Versuch für Objektivität, der zwar keine Antwort auf die oben genannten Fragen findet, wohl aber für sich schon eine klare Position eingenommen hat.

THE CLEANERS braucht etwa zwanzig Minuten, um endlich in Fahrt zu kommen. Menschen werden eingeführt. Es wird wiederholend erzählt, worum sich diese kümmern. Endlose, willkürliche binäre Code, CGI-Zwischenbildern sollen uns in Stimmung für das digitale Thema bringen. Dann endlich wird Klartext gesprochen, konkret angesprochen, wie tief liegend die Probleme im World Wide Web sind. Illegaler, fragwürdiger Content wird jeden Tag milliardenfach verbreitet. Die Arbeit, diesen wieder zu entfernen, scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Arbeitsdruck und die Inhalte selbst sind eine zusätzliche, wenn nicht gar die wesentliche Belastung für alle Mitarbeiter dieser Schattenindustrie.

Typisch für Dokumentationen dieser Art wird zwischen Interviewpartner hin und her geswitched. Etwas unkoordiniert werden so gleich mehrere Themenfelder angesprochen und selten konsequent zu Ende geführt. Der Film ist mehr als thematische Eröffnung für eine Diskussion zu verstehen. Zu viele Variablen muss Gesellschaft und Politik noch klären, um diese Schieflage in den sozialen Medien weltweit zu begradigen.

Der Film THE CLEANERS ist somit ein wichtiger Beitrag, der eine Seite in unserer digitalen Welt anleuchtet, jedoch noch nicht durchleuchtet, die bisher verschwiegen wurde. Die Welt schreit, gerade vor dem bevorstehenden neuen Datenschutzrichtlinien nach mehr Transparenz mit den eigenen Daten, nach einem Recht auf vergessen, aber auch nach neuen Mitteln, Ordnung in den rechtsfreien Raum Internet zu bringen. Das bereits seit Jahren Maßnahmen getroffen werden, um den normalen User zu schützen, ist noch nicht in der Gesellschaft angekommen. Doch, und hier muss ebenfalls eine Lösung gefunden werden, leider ist auch dies ganz offensichtlich mit Opfern verbunden.

Ist das wirklich der Preis, den wir alle zahlen wollen, um ungestört Likes abzugeben und uns Katzenvideos anzuschauen? Vielleicht! Vielleicht ist jetzt aber auch der Punkt erreicht, an dem wir alle unsere Einstellung zum Internet überdenken sollten.

THE CLEANERS startet am 17.05.2018 in den deutschen Kinos.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Farbfilm Verleih

 

Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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