Zapping Deutschland #3: Streaming total! – Die Autarkie des Zuschauers?
Das Fernsehen ist tot, hoch lebe das Fernsehen. Der Widerstand gegen den etablierten Fernsehkonsum ist zu einem Flächenbrand geworden. TV-Streaming und Video-on-Demand-Dienste verzeichnen immer mehr Zulauf und die TV-Sender hinken mühsam hinter her.
Der schleichende Wandel des Fernsehkonsums ist zu einem ausgedehnten Trend geworden. Denn der Konsument wartet nicht mehr, bis die Serie allwöchentlich über die Mattscheibe flimmert, sondern genießt den Luxus ganze Staffel und Serien am Stück gucken zu können. Hat sich das Konsumverhalten der Zuschauer verändert? In jedem Fall. Hatte der Zuschauer noch vor 10 Jahren die Qual der Wahl, entscheidet er heute gezielter und hat sich durch die neuen medialen Möglichkeiten des Internets, aber auch durch den physischen Zugang (VHS, DVD, Blu-Ray) seit den 1980ern, nach und nach vom TV-Programm emanzipieren können.
Die Zukunft finanziert die Gegenwart
Welch eine Ironie es doch ist, dass in den abendlichen Werbeblogs derzeit dazu lauthals aufgerufen wird, das Fernsehprogramm auszuschalten und sich stattdessen bei Amazon Instant Prime, Maxdome oder Netflix anzumelden. Das Fernsehen schafft der eigenen Konkurrenz, vielleicht sogar der Zukunft des Fernsehens, eine notgedrungene Bühne und sich damit immer weiter ab.
Gleichzeitig geben die Sender jedoch nicht auf, sondern erweitern ihr Online-Programm. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bietet mit seiner Mediathek ein breites Spektrum. Gelingt es dem Zuschauer jedoch nicht, innerhalb von sieben Tagen eine Sendung zu schauen, ist diese nicht selten schon wieder aus dem Netz verschwunden. Private Sender bieten hingegen ein Bezahlprogramm an. In diesem können nicht nur Eigenproduktionen, sondern auch eingekaufte Serien stressfrei nachgeholt.
Was hält also den Zuschauer also davon ab, seinen Kabel-Vertrag zu kündigen und sich vollends über Internet sein eigenes TV-Programm zu basteln? Nichts. Und genau das ist das Problem der TV-Sender. Sie müssen sich anpassen und sind dazu gezwungen ihre alten Mechanismen und damit sich selbst abzuschaffen. Ein tragikomisches Dilemma, denn wirklich Mühe scheinen sich die Sender mit ihrem oft billig-produzierten Nachmittags und Abendsenungen ohnehin nicht mehr zu geben – aber das ist nun wirklich ein anderes Thema.
Die Macht von YouTube
Und so geht der Trend gerade bei jungen Menschen ins Internet. Vor fünf Jahren noch unvorstellbar regieren YouTube-“Stars“, wie LeFloid, Gronkh und Y-Titty, die audiovisuelle Konsumlandschaft der Jugendlichen. Wozu sich durch die Sender zappen und nichts finden, wenn man Milliarden Videos zur Verfügung hat, die man wirklich sehen möchte? Auf Gehalt kommt es dabei genau so wenig an, wie auch im regulären TV-Programm. Auch hier zählt allein der Unterhaltungswert. Der einzige Unterschied ist eben, dass jeder Konsument selbst entscheiden kann, was läuft – dies können die TV-Sender nur durch Online-Mediatheken bieten. Das Dilemma setzte sich fort.
Nicht abgeschafft, nur abgelöst!
Das etablierte Fernsehen kann nicht abgeschafft werden. Der Mensch braucht die Beiläufigkeit mancher Sendungen und die Zapping-Kultur. Denn wenn er nur noch das anschaut, was ihm gefällt, kann er sich nicht mehr darüber beschweren. Die Meckergesellschaft verlangt jedoch nach Sendungen, die einem selbst nicht in den Kram passen und über die man sich aufregen oder lästern kann.
Die Autarkie des Zuschauers: Fluch und Segen!
Wer hingegen Gehalt möchte, der Stream sich eben (legal oder illegal) Filme und Serien. Der Fernseher bleibt aus. Der Zwang, jeden Freitag zur selben Zeit nie erreichbar sein zu können, weil dann die eine Lieblingsserie beginnt, entfällt. Der Zuschauer kann nun selbst bestimmen, was er wann gucken möchte. Und doch ist dies nur eine scheinbare Selbstbestimmung. Vielmehr grenzt ihn dieses neue Korsett aus seinem Umfeld oder gar der Gesellschaft sogar aus. Denn ohne die Zapping-Kultur verpasst er die Trends und fokussiert sich nur noch auf ein bis drei Serien. Das kann auch nicht in seinem Sinne sein. So wird das Streamming ohne Frage weiter zunehmen, jedoch nur als eine alternative Option zum regulären TV-Konsum herangezogen werden und beides gleichwertig nebeneinander bestehen.
Auch wenn der Zuschauer sein Konsumverhalten geändert haben mag, will er das Fernsehen also gar nicht abschaffen. Die Mechanismen werden und müssen sich ändern. Denn die Gemütlichkeit des Konsumenten wird immer siegen.