Zu Guter Letzt - Kritik
Kinokritik,  Kritiken

ZU GUTER LETZT (2017)

Ein Nachruf auf den Nachruf

ZU GUTER LETZT heißt die neue böse Komödie von Regisseur Mark Pellington. Hollywood-Ikone Shirley MacLaine spielt darin ein kontrollsüchtige Karrierefrau im Ruhestand, die ruhelos eine Inventur ihres Lebens macht. Heiße Wortgefechte treffen hier auf interessante Charaktere und eine wohltuende, aber durchweg bekannte Story – ein Film mit dem Herz am rechten Fleck und mit einer frechen Schnauze erzählt.

INHALT:Zu guter Letzt - poster

Sie ist scharfsinnig, ehrgeizig und klug, aber auch dominant, herrschsüchtig und herablassend: Früher galt sie als Genie in der Werbebranche. Heute ist Harriet (Shirley MacLaine) nur noch eine verbitterte, ältere Dame im Ruhestand und doch immer noch die Chefin: Das bekommt ihr Gärtner, ihre Friseurin, ja selbst ihre Ärtzin und ihr Pfarrer regelmäßig zu spüren.

Nach einem vermeintlich Selbstmordversuch blickt Harriet jedoch mit anderen Augen auf ihr Leben und stellt fest: Keiner wird sich gerne an sie erinnern, denn sie hat alle vertrieben. Deswegen engagiert sie die Reporterin Anne (Amanda Seyfried), um ihren Nachruf zu verfassen – und das noch vor dem Ableben. Das klingt absurd, passt zu Harriets Kontrollsucht und ist für Anne ein Versuch wert. Ausgestattet mit einer Liste an Namen macht sich die junge Reporterin an die Arbeit. Leider findet sie nicht eine Person, die etwas positives über Harriet zu sagen hat. Die Folge: Der Nachruf ist dünn, sehr dünn.

Harriet ist entsezt, aber unbelehrbar. Doch ihr Ehrgeiz ist geweckt und sie beginnt trotzig und mit viel Spaß einige Dinge zu verändern: So nimmt sie sich dem afroamerikanischem Mädchen Brenda (AnnJewel Lee Dixon) an und wird Radio DJ. Natürlich völlig eigennützig, oder doch nicht? Anne jedenfalls wittert plötzlich eine Story – wenn diese bloß nicht so ein Arschloch wäre…

FAZIT:

Eine alte, wohlhabende Dame stellt ihr Leben gerade. Dabei freundet sie sich mit einer jungen Frau an, mit der sie zunächst spinne-feind ist. Klingt bekannt, verzweigt sich jedoch in eine Geschichte, die von Eindrücken lebt und genau mit diesen eine Stimmung erzeugt, die mehr melancholisch denn lustig ist. Eine Stimmung, die so unpassend für eine Komödie ist, dass man eigentlich schreiben müsste „Thema verfehlt“. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn ZU GUTER LETZT hat trotz der bekannten Parameter, der offensichtlichen eingefahrenen Strukturen dieses Komödiensubgenres, das Genre und damit auch sich selbst auf leise Weise aufgebrochen.

ZU GUTER LETZT lädt zum Lachen und zum Weinen ein. Und auch wenn Shriley MacLaine in weiten Teilen nur noch zu einem Gesichtsausdruck fähig ist, nutzt sie ihre ganze schauspielerische Erfahrung, ja ihre dominante Bühnenpräsenz, um eine Frau zu verkörpern, die in ihrer rechthaberischen Selbstverständlichkeit regelmäßig Menschen vor dem Kopf stößt und dabei viel zu spät bemerkt, wie viel Distanz sie damit selbst zu ihren engsten Vertrauten aufgebaut hat. Doch Harriet ist nicht nur ein Biest, sondern eine nach Perfektion strebende Frau voller Makel, der sie sich selbst bewusst ist, aber die sie niemals offen eingesteht. MacLaine verleiht ihrer Rolle eine Würde, bei der dieser innere Zwispalt nur leise zum Vorschein kommt – des passt! Es ist nicht MacLines größte, aber eine souverän gespielte Rolle.

Amanda Seyfrieds Rolle als Reporterin Anne ist geprägt von Selbstzweifeln. Nachlass-Reporterin – soll es das gewesen sein? Sie träumt von einer Karriere als Schriftstellerin und ist zunächst genervt von Harriets Forderungen und Belehrungen. Doch Anne ist beeindruckt von Harriets Ehrgeiz. Deren Devise ist es nicht, zu träumen, sondern sich das zu nehmen, was man verlangt. So nimmt sich Harriet den Job als Radio DJ einfach und wird obendrein ungefragt Annes Lehrermeisterin fürs Leben. Seyfried fügt sich in diese Rolle wie sich Anne in die Rolle der Schülerin fügt und spielt Maclaine die Bälle zu, ohne zu sehr das Rampenlicht zu verlassen. Und so bleibt die Rolle auch hinter ihren Möglichkeiten, wird nicht genug aus erzählt.

Auch die kleine Rotzgöre Brenda dient nur als Sidekick. So wie Harriet Brenda ausnutzt, um eine gute Geschichte für ihren Nachruf zu haben, scheinen die Filmemacher diese Rollen hineingeschrieben zu haben, um die klassischen drei Generationen eines Generationenkonflikts zu vervollständigen. Brendas Geschichte kommt deutlich zu kurz. Ihre Hintergründe bleiben diffus. Man beschränkt sich darauf, dass Jungschauspielerin AnnJewel Lee Dixon mit einem losen Mundwerk durch die Gegend flucht und sich ab und an den Ratschlag einer alten Dame anhören lassen muss. Warum zwischen beiden irgendwann die Chemie stimmt. Wohl genau wegen eben jener ehrlichen Schnauze, die auch Harriet ihr Steckpferd nennt – das jedoch ist so dünn wie der erste Version des Nachrufs.

Viele Szenen kommen ohne Dialoge daher und wirken wie Zusammenschnitte von Zeitabläufen und kurzen Eindrücken. Untermalt sind diese mit mal neckischem, mal melancholischen Popsongs, die der Geschichte ein Tempo geben und den Figuren eine beständige Wendung und Weiterentwicklung. Und genau hierin liegt auch ein großer Kritikpunkt verborgen. Denn gerade diese Szenen erzählen von den Charakterentwicklungen, erzählen von der entstehenden Freundschaft. Doch die Szene werden inflationär als Überleitung genutzt, bleiben oft unkommentiert und erscheinen wie konstruierte, wenngleich stimmungsvolle Versuche das zu erzählen, was eigentlich die Essenz des Films ist: Drei Frauen unterschiedlichen Alters, jede für sich eine Person, die alleine in der Welt ist, näher sich an, werden für kurze Zeit zu einer Art Ersatzfamilie. So wurde mit diesem stimmungsvollem Hilfmittel auch das größte Potential des Films verschenkt.

Insgesamt ist ZU GUTER LETZT ein kurzweiliger Film mit alt-bekannten Parametern, emotional einlullenden Szenen, cleveren Dialogen und einem unaufdringlichem, aber tiefgehenden, ja einpräsamen Humor. Es ist eine Feel-Good-Komödie, die weder versucht mit platten Gags aggressiv Lacher zu erzeugen, noch den Drang hat, mit hohem Anspruch in ein ernstes Sujet abzudriften. Vielmehr steht ZU GUTER LETZT in einem Gleichgewicht, in dem sich Tragik und Komik zu einem Werk vereinen, das die Seele, wenn nicht trifft, dann doch sehr innig umarmt.

ZU GUTER LETZT startete am 13.04.2017 in den deutschen Kinos. Ab dem 18.08.2917 ist der Film auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Tobis Filmverleih 2017

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