Schwarz auf weiß #20: PLEASANTVILLE
Diesen Monat dehne ich etwas die Definition von meiner Rubrik und möchte den Film PLEASANTVILLE von 1998 vorstellen. Er beginnt zunächst als ein ganz normaler Farbfilm mit Toby Maguire und Reese Witherspoon in den Hauptrollen. Jedoch werden beide in eine schwarz/weiße Welt einer alten Fernsehserie gezogen und der Film verliert die Farbe, die dann wiederum stückchenweise zurückkommt. Aber für einen Teil des Films ist alles farblos und daher kann ich gerne darüber berichten.
Zunächst zum Inhalt:
David Wagner (Maguire) liebt die 50er Jahre Serie PLEASANTVILLE. Die Serie zeigt eine einfach aber schöne Welt, in der die Mutter das Essen kocht und der Vater zur Arbeit geht. Verglichen mit seiner echten dysfunktionalen Familie kann man sehr gut nachvollziehen, warum David sich nach der Welt in Pleasantville sehnt. Davids Schwester Jennifer (Witherspoon) hingegen ist eine typische Highschool Göre, die sich für nichts außer Jungs und Sex interessiert.
Eines Abends will David einen Pleasantville-Marathon schauen, Jennifer wartet jedoch auf einen Jungen, mit dem sie Fernsehen möchte. Und so schreiten sich die beiden um die Fernbedienung. Die Fernbedienung stammt jedoch von einem merkwürdigen Handwerker und ehe sich die beiden versehen, stehen sie im Wohnzimmer der Familie in Pleasantville. Zunächst versuchen beide noch, sich anzupassen, aber alle unterdrückten Wünsche und Leidenschaften der Bewohner kochen bald hoch und äußern sich im Buntwerden der Welt.
Auf den ersten Blick ist PLEASANTVILLE eine simple Komödie, die ich mit ungefähr zehn Jahren das erste Mal gesehen habe. Aber in Wahrheit kombiniert sie Komödie und Drama miteinander und ist voller Symbolik. Regisseur Gary Ross liefert die perfekte Welt der 50er Jahre auf dem Silbertablett, nur um dann darzulegen, dass nichts so perfekt ist, wie es scheint. Denn die Hausfrau möchte nicht nur am Herd stehen und den Jugendlichen reicht einfaches Händchenhalten auch nicht unbedingt. Die Gesellschaft wandelt sich also, zu sehen in dem Auftauchen von Farbe, beginnend mit einem Kaugummi. Das Eintreffen von David und Jennifer bringt in den Bewohnern das Verlangen nach mehr hervor. Und damit ist nicht nur Sex gemeint. Auch Kunst und Literatur gehören dazu. David erzählt von Huckleberry Finn und Der Fänger im Roggen. Beide Bücher wurden lange verboten in den USA. Die Seiten der Bücher füllen sich und es ist seit jeher bekannt, dass Literatur den Horizont erweitert.
Die Veränderung kommt aber nicht ohne Widerstand. Die farblosen wehren sich gegen die Entwicklung. Schilder mit „No colored people“ erscheinen in Läden, eine eindeutige Referenz auf die Zeit der Rassentrennung. Die Szene im Gerichtssaal, in der die „Farbigen“ auf dem Balkon sitzen, getrennt vom Rest, konnte man genau so in WER DIE NACHTIGALL STÖRT sehen. Die Kunst wird als unmoralisch gesehen, eine mögliche Referenz auf die „entartete Kunst“ im Nazi-Regime. Der Film endet in der Akzeptanz des unaufhaltbaren Wandels, hoffentlich kann das in der Wirklichkeit auch passieren.
Das Spiel mit der Farbe ist in PLEASANTVILLE großartig gelungen. Es repräsentiert den Übergang in eine Art der Aufklärung. Die Farbe taucht auf, wenn die Menschen sich mit sich selbst und ihren Emotionen auseinandersetzen, sei es Liebe oder Wut. Die Visuale Effects sind dabei atemberaubend. Die Autofahrt von David zur „Lover‘s Lane“ ist dabei mein Highlight, aber auch der brennende Baum ist mir im Gedächtnis geblieben.
Noch dazu schafft es PLEASANTVILLE einer Generation etwas nachvollziehbar vor Augen zu führen, die nur allzu gerne die Geschichte als zu abstrakt zu vernachlässigen. Wie leicht ist es doch, einfach mit einer Gruppe mitzulaufen. Hass ist so schnell und so leicht geschürt. Einer Gruppe die Schuld an allem zu geben, was im eigenen Leben schief läuft ist so schön unkompliziert. Und das Großartige des Films ist auch, dass man beide Seiten sieht. Es ist nicht immer so einfach, nicht immer nur schwarz oder weiß. Das Gute und Böse ist nicht so leicht zu identifizieren. Davids Vater (der großartige William H. Macy) bleibt lange farblos, zerrissen zwischen den alten Traditionen und dem Anerkennen des Fortschritts. Er ist kein böser Mensch, hat aber Angst vor Veränderung. Die Angst vor Veränderung gibt es immer und überall, kann aber auch keine Entschuldigung für Stillstand oder gar Gewalt sein.
PLEASANTVILLE ist für mich ein lehrreicher, großartiger Film, der in jede Zeit passt und ohne den Zeigefinger zu heben, zeigt wie leicht Rassismus entsteht. Er vergisst bei aller Bedeutung aber nicht, zu unterhalten und ein visuelles Spektakel zu sein.