Im Rampenlicht #4: Gore Verbinski
Er machte den Piratenfilm wieder salonfähig und holte den Asia-Horror-Trend über den großen Teich. Seine Filme lassen keine klare Richtung erkennen. Es scheint, als experimentiert er gerne und möchte sich selten festlegen. Dennoch greift er immer wieder Elemente aus früheren Werken auf. Die Filme, die dadurch herauskommen sind anders und doch Mainstream. Die Rede ist von Gore Verbinski.
Gregor „Gore“ Verbinski wurde am 16. März 1964 in Oak Ridge, Tennessee geboren. Er ist polnischer Abstammung und der Sohn eines Kernphysikers. Für die Wissenschaft konnte man ihn wohl nicht begeistern. Statt dessen widmete er sich schon als Teenager der Musik und dem Film. Mit einer 8mm-Kamera experimentierte er herum und produzierte Kurzfilme. Nach der Schule studierte er Filmwissenschaften an der University of California.
Seine ersten Filme kombinierten seine Leidenschaften: Verbinski produzierte Musikvideos für Bad Religion oder Monster Magnet. Nebenbei war er selbst Gitarrist in Punkbands. Mit einer Budweiser-Kampagne über rülpsende Frösche machte sich Verbinski in der Werbebranche schließlich einen Namen. Der Schritt zum ersten Spielfilm ein paar Jahre später war damit nur noch kurz.
Komische Anfänge: MÄUSEJAGD & THE MEXICAN
Zwei Brüder erben eine Fabrik, haben jedoch eine Mäuseproblem. Die Folge ist Chaos, Zerstörung und jede Menge Slapstick. Mäusejagd von 1997 ist ein netter Klamauk mit Nathan Lane, Lee Evans und Christopher Walken. Seinen Hang zu cleveren Tierchen wurde weiter ausgeprägt. Diese, so zeigen die kommenden Werke, sind das wiederkehrende Markenzeichen seiner Filme. Verbinski beweist sein Gespür für Komische in einer banalen Story mit flachen Figuren.
Deutlich tiefer ging hingegen THE MEXICAN (2001). In den Hauptrollen glänzen Brad Pitt und Julia Roberts als Paar auf einem actionreichen Road Trip. Er verspricht ihr eine Reise nach Las Vegas. In Wahrheit befinden sie sich aber mitten auf einer Jagd nach einer legendären Pistole. Und das alles, um Schulden bei der Maifa abzuleisten. Dabei darf viel explodieren und die Sprüche sind ebenfalls spritzig. THE MEXICAN und MÄUSEJAGD kamen nicht beim Publikum an. Den Filmen fehlte etwas: ein gutes Drehbuch oder eine konsequentere Umsetzung. Dennoch waren die Werke aus der Retrospektive gesehen kleine Spielwiesen, um nötige Erfahrung für Verbinskis weiteres Wirken zu sammeln.
Kleiner Ausflug in die Horrorwelt: THE RING
Verbinskis kleiner Exkurs ins Horrorgenre war gleichzeitig sein erster richtiger Erfolg. Das US-Remakes des japanischen Originals ist heute ein viel zitierter Klassiker des modernen Horrorfilms. Im Film verbreitet sich ein mysteriöses Video unter vornehmlich jungen Menschen. Wer das Video sieht, erhält einen Anruf und ist sieben Tage später tot. Samara Morgan, ein untotes Mädchen steigt dafür stets aus einem Brunnen und sucht sich ihre Opfer. Die Journalistin Rachel Keller, gespielt von Naomi Watts, geht der Sache auf den Grund und gerät dabei selbst in ernste Gefahr.
Im Lexikon des internationalen Films steht dazu: „Spannende Mischung aus Geistergeschichte und Multimedia-Horror, die sich nach der intensiven Exposition allerdings in der komplexen Handlung verliert und nicht an die verstörende Wirkung des japanischen Originals heranreicht.“
Wer das Original nicht kennt, ist dennoch von Verbinskis Version verstört. Allein die lange schwarzen Haare im Gesicht eines kleinen Mädchens und das Grunzen, das ihre Anwesenheit ankündigt, schaudert auch heute noch das Publikum. Das Tier des Films ist diesmal eine Fliege. Verbinski schafft es, die Atmosphäre des guten alten Gruselfilms in die Gegenwart zu übertragen – und setzt mit diesem Kinoerfolg einen wichtigen Schritt dafür, dass der Asian Horror Movie auch das westliche Kino erobert.
Der Durchbruch: FLUCH DER KARIBIK
Es war eigentlich nur eine Attraktion in Disney World. Und das Genre des Piratenfilms galt als verbrannt. Denn DIE PRIATENBRAUT (1995; Original: CUTTHROAT ISLAND), der bis dato letzte Piraten-Blockbuster aus Hollywood, ist bis heute einer der größten Flops der Filmgeschichte. Wieso also genau für dieses Genre einen Film produzieren? Weil Disney es kann. Mit Gore Verbinski hat der Mauskonzern genau den richtigen Regisseur engagiert.
Mit diesem Film hatte Gore Verbinski endgültig seinen weltweiten Durchbruch. Zurecht, den FLUCH DER KARBIK kam genau zur richtigen Zeit, mit den richtigen Darstellern und traf offenbar ein schlummerndes Bedürfnis beim Publikum: Captain Jack Sparrow, gespielt von Johnny Depp, möchte eigentlich nur seine geliebte Balck Pearl wiederhaben. Doch seine Mannschaft hat gemeutert und ihn vom Schiff verbannt. Mit Hilfe des Schmieds Will Turner (Orlando Bloom) und der Governeustocher Elizabeth Swann (Keira Knightley) jagt er die wortwörtlich verfluchten Piraten durch die Karibische See.
Für Johnny Depp ein Hauptgewinn und für das Publikum ein actiongeladener, amüsanter Spaß. FLUCH DER KARBIK erfrischt das Genre durch einen lockeren Humor und einen Piraten, der mehr Hippie als Schurke ist. Diesmal steht ein Affe im Fokus. Die Eingangsszene des Films haben ich in meiner Bachelorarbeit über den Piratenfilme genauer beschrieben. Denn diese Szene ist eine Blaupause für den Geist des Genres. Lest mal rein.
Intermezzo: THE WEATHER MAN
Im Auge seines Piratensturms auf die große Leinwand brachte Verbinksi einen stilleren Film heraus: Das Drama THE WEATHER MAN (2005) mit Nicolas Cage erzählt von einem Wetteransager, der die große Chance erhält, ein Teil der national ausgestrahlten Show „Hello America“ zu werden. Allerdings sorgen ihn diverse Probleme in der Familie. Der kleine Ausflug ins Drama ist rührend und unterhaltsam. Kritiker lobten besonders Cage Darstellung der Hauptfigur David Spritz. Die Regiearbeit Verbinskis ist hingegen nur solide und erfüllt ihren Zweck.
Die Fortsetzungen: FLUCH DER KARBIK 2 + 3
Nach FLUCH DER KARBIK folgten zwei Fortsetzung von Verbinski: FLUCH DER KARIBIK: DEAD MAN’S CHEAST (20016) und FLUCH DER KARIBIK: AM ENDE DER WELT (2007) waren ebenfalls kommerziell sehr erfolgreich. Die Sequels kamen nicht mehr an FLUCH DER KARBIK heran, wissen jedoch in ihrer Art durchaus zu unterhalten, wenn gleich Teil zwei deutlich zu albern war und Teil drei ins absolut Abstruse abdriftete. Verbinski verzichtete glücklicherweise auf den Regieposten für FLUCH DER KARIBIK: FREMDE GEZEITEN. So konnte er sich einem neuen Filmformat zuwenden: dem Animationsfilm.
Im Wüstenstaub: RANGO & LONE RANGER
RANGO aus dem Jahre 2011 ist ein fabelhafter, Oscar-prämierer Überraschungshit: Der Film ist all das, was schon FLUCH DER KARIBIK so herausragend machte – nur in einen Animationsfilm verpackt. Verbinski konnte diesen amüsanten Abenteuerfilms spitz überzeichnen, ohne auf irgendwelchen realistischen Ansprüche beharren zu müssen. Im Zentrum dieses tierischen Westernfilms steht das Chamäleon Rango, im Original gesprochen von Johnny Depp. Rango lebt in einem Terrarium und widmet sich täglich seiner Leidenschaft für die Schauspielerei. Als Rango eines Tages ungewollt von seinem Besitzer mitten in der Wüste zurückgelassen wird, ist das verwöhnte Tier erstmals auf sich alleine gestellt. Rango landet in dem staubigen Wüstenstädtchen „Dreck“. Dort suchen die Einwohner gerade nach einem neuen Sheriff. Rango spielt den harten Fremden und erhält den Job. Doof nur, dass eine Banditenbande die Stadt regelmäßig terrorisiert.
Was den Film so gut macht, verraten wir euch in der Filmkritik. Hört mal rein:
Nach RANGO bliebt Verbinski dem Westerngenre treu. Doch was hat ihn hier bloß geritten? Für das Kino-Remake des Serienklassiker LONE RANGER setzte der Regisseur und Drehbuchautor erneut auf Johnny Depp. Diesmal tut er sich damit wirklich keinen Gefallen. Denn Depp spielt einen Indianer, der sich an den Gesten des schlechtesten Piraten, den die Welt je gesehen hat, bedient: „Auch diesmal spielt Johnny Depp den verwirrten Einzelgänger mit Hang zu selbstmordgefährdeten Aktionen und unsinnigen Verhandlungsgeschick.“ Die Geschichte ist zudem so verworren und ohne Sinn und Verstand, dass die schönen Bilder den inhaltlichen Schwachsinn des Films leider nicht überdecken können. Unsere ganze Kritik zu LONE RANGER finden ihr hier.
Ein Meisterwerk: A CURE FOR WELLNESS
Mit seinem bisher letzten Werk debütiert Gore Verbinski im Thriller. A CURE FOR WELLNES (2017) handelt von dem irrsinnigen, weltfremden Leben von Topmanager und einem Spa, in dem fanatisch einem Wasser gehuldigt wird. Das Werk erinnert an SHUTTER ISLAND und „erfüllt ästhetische Ansprüche, die sich in der Handlung aber etwas verlieren.“ Ein absolut sehenswertes Werk, das auf allen Ebenen besser ist als Verbinskis vorhergegangene Filme. In unserer Kritik erklären wir, warum ihr euch den Film unbedingt einmal ansehen müsst: Zur Kritik.
Und welcher Film von Gore Verbinski ist euer Favorit? Kanntet ihr den Regisseur überhaupt schon? Erzählt uns von euren Erfahrungen mit seinen Werken.
Fotoquelle: alotofmilion