Sommerfest - kritik
Kinokritik,  Kritiken

SOMMERFEST (2017)

Das Sommerloch für Cineasten

SOMMERFEST: Der neue Film von Sönke Wortmann spielt im tiefsten Ruhrpott, in dem auch der Regisseur und Drehbuchautor aufgewachsen ist. Klingt zunächst eigentlich sehr charmant. Unsere Lena hat sich die Komödie angesehen, doch vom Ruhrpott-Charme war bald nicht mehr viel übrig…

INHALT:Sommerfest - Poster

Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz) hat vor zehn Jahren seiner Heimat Bochum den Rücken zugewandt und kehrt aus einem traurigen Anlass wieder zurück: Sein Vater ist gestorben und er muss innerhalb von drei Tagen die Bestattung organisieren, denn seine Zeit am Theater in München neigt sich dem Ende zu und er hat ein mehr oder weniger vielversprechendes Casting für eine Soap in Bayern. Kaum ist er in Bochum angekommen, wird er mit allem konfrontiert, dass für ihn mal Heimat war. Er trifft alte Bekannte, Freunde, Urgesteine aus dem Pott und seine Jugendliebe Charlie (Anna Bederke) wieder.

FAZIT:

Bochum ist Schauplatz der Handlung, an den der Protagonist des Filmes nach Jahren der Entsagung wieder zurückkehrt. SOMMERFEST basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autors Frank Goosen, den ich allerdings nicht gelesen habe und auch sicherlich nicht zur Hand nehmen werde, nachdem ich mir dieses cineastische Kunstwerk ansehen durfte.

Stefan Zöllner ist Schauspieler am Theater in München, allerdings so semi-erfolgreich, denn sein Vertrag wurde nicht verlängert und auf die gefühlt hundert Mal gestellte Frage „Muss man dich kennen?“, fortlaufend mit einem „Nein!“ antwortet. Bezeichnend dafür ist auch die fluchtartige Rückkehr in die Heimatstadt Bochum, die auf die Benachrichtigung über den plötzlichen Tod seines Vaters folgt. In voller Kostümierung sitzt er im nächstbesten ICE. Ohne Gepäck, nur mit dem Smartphone in der Hand, erreicht er im strömenden Regen das Ziel und legt sich in seinem alten Kinderzimmer zur Nachtruhe. Das Haus selbst entspricht den typischen Ruhrpott-Häusern, die Gegend wirkt unbewohnt, Holz an den Decken und Gelsenkirchener Barock. Der plötzlich eingetretene Tod des Vaters wird über einen umgekippten Stuhl und das ungemachte Bett vermittelt. Große Kunst.

Sein erstes Ziel am nächsten Morgen ist ein Büdchen oder besser sein Büdchen und Treffpunkt aus alten Tagen. Hier trifft er auf seinen Schulfreund Toto (Nicholas Bodeux) und die Omma (Elfriede Fey). Omma freut sich natürlich über die Rückkehr des verlorenen Sohns aus Bochum und bezaubert auch direkt mit Ruhrpott-Charme. Hat doch tatsächlich so ein Bürschchen versucht sie letzte Woche auszurauben, mit Knarre, doch Omma hat gesagt, er soll verschwinden. Toto betont: „was für eine tolle Omma!“ Sogar die Zeitung hat darüber berichtet wie die Omma den Kleinkriminellen in die Flucht schlagen konnte. Nebenbei bemerkt, die einzig wirklich lustige Begegnung in diesem Film. Denn ich stimme Toto zu, die Omma ist echt großartig.

Der nächste Stopp in Bochum ist für den Theaterschauspieler ein Bestattungsunternehmen. Der Bestatter bezeichnet sein Unternehmen als Partyservice und Stefan wird von seiner Agentin und derzeitigen Freundin telefonisch daran erinnert, dass er spätestens Montag zurückfahren muss, denn er ist ja schließlich unter den letzten dreien beim Casting für die Soap „Forstklinik“. Der Name spricht für sich und Verweise auf „Forsthaus Falkennau“, „Die Schwarzwaldklinik“ oder andere Vorabendgeschichten aus den öffentlich rechtlichen Programmen, könnte ich mir sparen, tue ich aber nicht. Denn der Film spart ebenso wenig an Ruhrpott-Klischees, dass sich mir zunehmend die Frage stellt, ob Sönke Wortmann nicht doch ein wenig Ruhrpott-Hasser ist, er lebt ja jetzt auch in Düsseldorf. Vermutlich hat er die Mentalität des Düsseldorfers übernommen, sich stark vom Ruhrpott abzugrenzen, schließlich ist man hier ja Niederrhein…

Zurück zum Partyservice-Bestatter, die Entscheidung Verbrennung oder Vergraben ist zügig getroffen, denn Vergraben geht schneller. Nach Toto trifft sich Stefan mit Frank Tenholt, Jugendfreund und nun Inhaber eines Zechenmuseums und stolzer Vater von Zwillingen. Ob Stefan denn nicht auch mal langsam Kinder bekommen möchte? Und was ist eigentlich mit Charlie? Eine Frage die fast ebenso häufig an den Protagonisten gestellt wird, wie die „Ob man ihn kennt?“. Komplizierte Dialoge, komplizierte Handlung… NOT. Charlie, die Jugendliebe, wohnt wohl immer noch in Bochum und sollte nach Meinung des Freundeskreises endlich kontaktiert werden. Gegen diese Vehemenz ist Stefan machtlos und auch ich sehe ein, dass ein Zusammentreffen des vermeintlichen Liebespaares unumgänglich ist. Doch Sönke, der alte Fuchs, weiß die Spannung in seinen Filmen natürlich aufrechtzuerhalten und zögert den Auftritt des Schwarms hinaus.

Wie erhält man die Spannung nun am besten aufrecht? Richtig, man schickt Stefan und Toto erstmal noch tiefer in den Pott, denn der Zuschauer, insbesondere die Pottfernen, sollen ja schließlich Land und Leute kennenlernen. Es geht nach Gladbeck, um einen Schrank abzuholen. Liebe Grüße an dieser Stelle an meinen Opa!

Auf der Autofahrt über die A40, verschont uns der ultimativ kreative Schauspieler nicht mit einem eigens geschaffenen Gedicht auf die A40. Ja, es ist so schlimm wie es klingt und nur Toto ist vollends begeistert, was wiederum deutlich macht, über welchen IQ die Bewohner des Ruhrpotts in diesem Film verfügen. Doch damit nicht genug: In Gladbeck angekommen, trifft das ungleiche Duo auf Olaf und seine Mitbewohner. Offensichtlich Fans von Detlef D Soost und seinem hauseigenen Imakeyousexy.com. Konsequenterweise ist da natürlich keiner sexy. Es wird Kette geraucht und ich denke unweigerlich an Annegret und ihr Mettbrötchen oder andere RTL2 Formate, in denen die Protagonisten erst einmal Deutsch lernen sollten und auch die Teilnahme am Programm der Fatfighters durchaus gesundheitsfördernd sein könnte. Ah ja, so sieht der Ruhrpott also aus… Adipositas, Fernsehsucht und einfach nur asozial…. Mir fehlen die Worte bei der Tradierung solcher Klischees. Das ist nicht mehr lustig, sondern einfach nur traurig.

Die Traurigkeit weicht beim nächsten Stopp der Wut und dem Entsetzen. Diggo und sein Schrebergarten. Die Kleingartenidylle wird durch Diggo, der eher an einen Zuhälter erinnert und seine strunzdämlichen Biker-Schläger Kumpane gestört. Oh und nicht zu vergessen: Diggo hat auch eine blonde Freundin, die sich in Hotpants sonnt, natürlich wird er sie bald heiraten. Sie lächelt glückselig und schmiegt sich an die Fettfrise mit Goldkettchen. Ohne Worte.

Trommelwirbel, es ist soweit: Charlie läuft auf und die Begegnung mit einem weiteren Ruhrpottler wirkt nach Olaf und Diggo doch merkwürdig normal. Charlie ist natürlich kein Asi und auch der deutschen Sprache mächtig. Viel passiert nicht, sie ist lediglich der Meinung das Stefan und sie zusammengehören, schließlich ist auch er schon recht alt. Wiederholung des Monologes von Frank in leicht abgewandelter Form. Familie und Kinder etc. pp.

Das Grande Finale und die Erklärung des Film- bzw. Buchtitels: Das Sommerfest des ansässigen Fußballvereines. Tja Sönke, Fußball ist in deinen Filmen echt immer wichtig, oder? Das Klientel beim Sommerfest ist nicht viel ansprechender als der bisher gezeigte „Querschnitt“ der Ruhrpott Bewohner, die üblichen Verdächtigen sind natürlich mit dabei, nur leider nicht die Omma. Ich bin traurig, man trifft noch auf Mandy (Jasna Fritzi Bauer), die zwar einen blöden Namen hat – erinnert ihr euch an Mandy Handy bei Switch? Eigentlich sind fast alle Gestalten in diesem Film wie die Familie Handy in dieser Comedyserie, fällt mir gerade irgendwie auf –, aber hey, sie singt ganz toll und ist außerdem auch endlich mal jemand der Stefan als Schauspieler erkennt. Die Nacht wird durchgefeiert und am nächsten Tag ist die Beerdigung. Die Schlusssequenz ist mal total alternativ und findet am Bochumer Bahnhof statt. Ratet doch mal, fährt Stefan zurück nach München oder bleibt er wohl in Bochum?

Sollte dieser Film eine lustige Persiflage auf den Ruhrpott und seine Bewohner sein, kann man dieses Vorhaben durchaus als gescheitert bezeichnen. SOMMERFEST vermittelt tatsächlich den Eindruck, dass der Pott nahezu leer steht und in ihm lediglich der menschliche Abschaum wohnt. Mich schockiert das Bild, welches hier gezeichnet wird und ich finde es weder lustig noch liebevoll. Der Film strotzt vor bornierten Klischees und ich drücke an dieser Stelle mein Bedauern für alle Bewohner aus dem Ruhrgebiet aus. Kopf hoch, wer den Ruhrpott kennt, weiß um seinen Charme.

SOMMERFEST läuft ab dem 29.06.2017 in den deutschen Kinos.

von Lena Gerlach

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial: X-Filmverleih/ Warner Bros. 2017

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Hello, ich bin die Lena und neben meiner Passion dem Lesen steht direkt das Kino. Gerne natürlich auch Buchverfilmungen, wobei ich immer noch auf das cineastische Meisterwerk warte, das die literarische Vorlage übertrifft. Die Wartezeit auf die nächste Buchverfilmung vertreibe ich mir dann mal mit Serien ;-)

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