Die Grundschullehrerin - Filmkritik | franz. Drama | (c) Alamode Filmverleih
Kinokritik,  Kritiken

DIE GRUNDSCHULLEHRERIN (2018)

Zwischen Privatpflicht und Schulstress

In DIE GRUNDSCHULLEHRERIN versucht eine junge Lehrerin den Spagat zwischen Beruf und Privatleben. Dabei Verschmelzen beide Seiten ihres Lebens zu einem in sich verwobenen Gefängnis, das sie nicht sieht und aus dem ihre Sohn flüchten möchte. Das Drama stellt eine unbequeme Doppelfrage: Wie viel Leidenschaft darf man entwickeln und wie viel Opferbereitschaft darf man erwarten, wenn man die Verantwortung für heranwachsende Kinder in seinem Beruf übernimmt?

 

INHALT:Die Grundschullehrerin - Poster

Florence (Sara Forestier) ist Grundschullehrerin, und dass mit Leidenschaft. Sie geht in ihrem Beruf auf, opfert viel Zeit dafür, um sich auf kommende Stunden vorzubereiten, aber sich auch um die Sorgen und Probleme ihrer Schüler zu kümmern. Dabei kommt ihr Sohn Denis (Albert Cousi) viel zu kurz. Dieser hat es ohnehin nicht leicht. Denn er wohnt mit seiner Mutter auch noch in der Schule und sie ist seine Klassenlehrerin. Eine dreifache Belastung für ihn und eine unglaublicher Druck für sie.

Denis würde am liebsten zu seinem Vater. Der reist durch die Welt, lebt ein aufregendes Leben in Freiheit. Er hingegen kennt nur die Schule und eine Mutter, die mit dem Unterricht nicht einmal in der Freizeit aufhören kann. Für Florence ist der Beruf eine Berufung. Die resignierenden Witze über das Lehrerdasein ihrer Kollegen kann sie nicht teilen. Vielmehr noch ist sie sogar über dessen Ignoranz schockiert.

So sieht eine ihrer Kolleginnen offensichtlich nicht, dass ein Junge ihr Klasse seit Woche alleine lebt. Seine Mutter scheint ihm nur Geld dazulassen. Er selbst ist auf sich gestellt. Florence fühlt sich verantwortlich. Möchte verhindern, dass er dem Jugendamt ausgeliefert wird. Doch ihre Bemühungen laufen gegen die Wand und rütteln an ihren Idealen als Lehrerin. Kann sie ihren Beruf wirklich noch weiter ausüben?

FAZIT:

Das französische Drama DIE GRUNDSCHULLEHRERIN ist ein Kammerspiel im Klassenzimmer. Nahezu alle Szenen bis auf ein paar Ausnahmen spielen sich in der Schule ab. Die Nähe zwischen Beruf und Privatleben ist so nicht nur ein metaphorisches Symbol, sondern eine wortwörtliche Erdrückung, die sowohl Mutter als auch Sohn jeweils auf eine andere Art zu spüren bekommen.

Das Hauptproblem der Figur: Es fehlt der Abstand zwischen beiden Leben. Sie vertieft sich in ihren Beruf, kennt keine Pause und verliert dabei immer mehr den Bezug zu ihrem Sohn. Er möchte raus. Weg aus diesem Ort, an dem seine Schule niemals endet.

Wie erfahren von einer Frau, die auf der Suche nach einem Halt ist. Diesen findet sie in ihrem Beruf. Doch sie verbeißt sich, nimmt Aufgaben, nimmt ihre Verantwortung zu persönlich. Das macht sie menschlich, aber eben auch verletzlich. Ihre Kollegen blicken auf sie mit einer Mischung aus Hohn und Mitleid.

DIE GRUNDSCHULLEHRERIN offenbart in Ansätzen auch, was im Schulsystem schiefläuft: schlechte Bezahlung, minderwertige Nachmittagsbetreuung, die ebenfalls nicht gut entlohnt wird, Lehrer, die ausbilden sollen, aber erziehen müssen und die im Grunde niemals Feierabend haben. Alles Defizite, Herausforderungen, die auch schon in dem Dokumentarfilm ZWISCHEN DEN STÜHLEN angesprochen wurden. Das Drama ist sehr authentisch. Doch es überspitzt die Realität noch.

Ein Leben in der Schule, eine alleinerziehende junge Frau, ein verlorener, sich entfremdener Junge, ein anziehender Mann, der alte Gefühle neu erweckt, und ein Beruf, der mehr verlangt als man auf Dauer geben kann – das alles führt zu einem Kollaps. Die heile Grundschulwelt, in der man eigentlich erst auf die weitere Schullaufbahn vorbereitet wird, bricht wie ein fragiles Kartenhaus zusammen. Die größte Tragik liegt dabei darin, dass die Hauptfigur nichts falsch gemacht hat. Im Gegenteil: Mit aller Macht hält sie an ihren Idealen fest, die Welt um sie herum hat sich jedoch verändert. Die Illusionen zerbrechen an einer Realität, in der man nicht jedem helfen kann.

Sara Forestier spielt diese Ambivalenz allein mit ihrer Mimik. Die Hoffnung in ihren Augen verschwindet nach und nach und wird von einer tiefen Sinnkrise verdrängt. Nur eine Befreiung, eine Neuordnung der eigenen Einstellungen und Gefühle kann sie jetzt noch aus der Krise holen. Doch wie mag diese Neuordnung aussehen? Nur soviel sei verraten: DIE GRUNDSCHULLEHRERIN hat kein Happy End im klassischen Sinne, sondern ein Lebenswandel im Realistischen.

DIE GRUNDSCHULLEHRERIN ist ruhig in seiner Darstellung, aber aufwühlend in seiner Geschichte. Das Drama trifft damit den richtigen Ton und bietet alltägliche Identifikationsflächen für den Zuschauer. Man fühlt, man leidet mit, entdeckt die kleine Fehler und Fehlverhalten auch an sich, aber ebenso freut man sich mit und fühlt sich auf eine ehrlich Art geborgen – Aufgabe erfüllt, Diktat bestanden.

DIE GRUNDSCHULLEHRERIN von Regisseurin Hélène Angel startet am 15.02.2018 in den deutschen Kinos.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Alamode Filmverleih

 

Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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