Bestialische Mordserie, kleine Täuschungen & atmosphärische Bilder
15. Januar 2018/
In THE LIMEHOUSE GOLEM wird der Zuschauer die zwielichtige Welt des viktorianischen Londons entführt. Dort im Molch zwischen gehobener High Society, bürgerlichem Varieté und niederen Gelüsten treibt ein Mörder sein Unwesen. Die Art der Morde und die Intention der Taten heben das Verbrechen auf eine Ebene, die die Welt noch nicht kannte.
Der Thriller von Juan Carlos Medina erzählt in atmosphärischen Bildern und mit einem komplexen Erzählstil von der Ermittlung eines Polizisten, der selbst zwischen die Fronten gerät.
INHALT:
London im Jahre 1880: Der designierter Inspektor John Kildare (Bill Nighy) wird mit einer Reihe an brutalen Mordfällen betraut, die offenbar miteinander in Zusammenhang stehen. Doch wie genau, dass ist noch unklar. Alle Opfer wurden auf bestimmte Weise trapiert, ja geradezu in Szene gesetzt. Eine scheußliche Mordserie, die so bisher einmalig ist.
Verängstigt verfällt die gesamte Stadt von den Morden des „Limehouse Golems“, wie er bald weitläufig genannt wird, in eine Schockstarre. Mit Kildare wird ausgerechnet auf einem Ermittler eingesetzt, der keinen guten Ruf genießt. Es scheint, als wird ein Sündenbock für dich stockenden Ermittlungen gesucht.
Bei seinen Nachforschungen stößt Kildare auf ein Buch in der städtischen Bibliothek, in dem Tagebuchartig die Morden im Detail dokumentiert wurden. Nur vier Männer hielten sich zu diesem Zeitraum laut Besucherbuch in der Bibliothek auf. Doch wer von ihnen ist der Mörder. Eine Handschrift-Analyse hilft, den Täterkreis weiter einzugrenzen.
Die Handschrift eines möglichen Verdächtigen kann jedoch nicht untersucht werden. Der Schriftsteller John Cree, der regelmäßig in die Bibliothek zum Arbeiten kam, hat alle seine Manuskripte verbrannt und verstarb vor kurzem. Die Todesursache: Gift. Seine Frau Elizabeth Cree, eine stadtbekannte Schauspielerin, steht im Verdacht, ihm umgebracht zu haben. Kildare glaubt, sie haben ihren Ehemann als „Limehouse Golem“ enttarnt und wollte dem Treiben ihres Mannes Einhalt gebieten, indem sie ihn vergiftet.
Die Zeit rinnt davon und Elizabeth steht kurz vor ihrer Verurteilung. Nur wenn Kildare beweisen kann, dass John der Mörder ist, kann er das Leben der Frau retten. Wird es ihm gelingen?
FAZIT:
THE LIMEHOUSE GOLEM basiert auf dem gleichnamigen Roman von Peter Ackroyd und kann durchaus als Gothik Horror bezeichnet werden, wenngleich übersinnliche Mächte nicht am Werk sind. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen spannenden, atmosphärischen Krimi.
Der Film bewegt sich zwischen verschiedenen Erzählebenen. Auf der Hauptebene wird die Ermittlung der Mordfälle vorangetrieben. Auf einer weiteren Ebene wird die tragische Vergangenheit von Elizabeth durchleuchtet. Und auf einer dritten Ebene werden die Morde des Limehouse Golem dokumentiert. Das Besondere an der Inszenierung der Morde besteht darin, dass immer der Verdächtige, der gerade im Zentrum der Ermittlungen steht, auch als Mörder in den Szenen auftritt. So bilden die Morde quasi ein Abbild der Vorstellungen des Ermittlers John Kildare. Gleichermaßen findet auch ein Klimax in der Darstellung statt, da die Morde immer detaillierter und auch blutiger werden.
Elizabeths Vergangenheit ist geprägt von der tragischen, ja bitteren Kindheit eines kleinen Mädchens in einer Männerwelt, die sich nimmt, was sie möchte. Doch sie möchte ausbrechen, ist eine Kämpferin. Doch auch als junge Frau findet ihre Emanzipation nur auf der Bühne statt – der einzige Ort, an dem zu dieser Zeit an so etwas wie Emanzipation überhaupt zu denken ist. Ihr Förderer ist der berühmte Dan Leno (Douglas Booth), charismatisch und verspielt gemimt von Douglas Booth. Leno tritt in Frauenkleidern auf, spielt die Hausfrau und setzt der Frauenwelt einen Spiegel vor. Eine versteckte Kritik an die Männerwelt, die jedoch im Frauengewand auch eine Diskriminierung der Frauen ist.
Es ist ein Leitmotiv des ganzen Films, das in authentischen Szenen eine Gesellschaft spiegelt, in der die Frau als Lustobjekt zum Spielball, aber auch als Trophäe angesehen wird und Männer sich in ihrer Doppelmoral das Leben schönreden. Sexuelle Anspielungen und Frauenfeindlichkeit sind in der viktorianischen Ära Alltag. Gleichwohl sehen sich gehobene Gentleman, wie Elizabeths Mann als Wohltäter, die ihre Frau aus der Gosse gerettet haben, jedoch selbst regelmäßig zum Ehebrecher werden – ja, dabei gar von der eigenen Frau unterstützt werden. In THE LIMEHOUSE GOLEM ist die Menschenwelt eben mehr Schein als Sein. Jeder spielt eine Rolle – auch abseits des Theaters.
Diese Trugbilder des wahren Charakters der Figuren dirigieren die Ermittlungen. Im Immer wieder kommen neue Details ans Tageslicht, verschieben sich die Ermittlungen zu Ungunsten des Nächsten. Im Zentrum der Ermittlungen steht Dan Leno. Eine Figur, die durch seine Art und sein Auftreten nicht in diese Zeit zu passen scheint und doch durch die Ambivalenz, zwischen Mann und Frau, zwischen Kunstfigur und realer Person in THE LIMEHOUSE GOLEM mehr als passt. Leno ist eine Element der Täuschung des Zuschauers. Ist er der Täter? Tritt er dafür nicht viel zu nett auf? Macht ihn eben das nicht verdächtig? Warum ist erhält seine Figur überhaupt so viel Screentime? Obwohl wir viel von ihm erfahren, erfahren wir nie genug. Und das macht Dan Leno so interessant. Doch der Golem, ein mythische Figur aus Lehm und Ton, zeigt sich in diesem Krimi als wechselhaft. Dan Leno steht nicht alleine. Viele kommen als Täter in Frage. Aber nur einer darf der Täter sein.
Warum „darf“? Weil das Leben einen unschuldigen Frau gerettet werden muss. John Kildare, eigentlich ein rationaler Mensch, verstrickt sich selbst in die Gerichtsverhandlungen von Elizabeth. Er werliert darüber fast die Mordfälle aus den Augen und erkennt in ihr ein Opfer, dass zur Mörderin geworden ist. Seine Zuneigung zu ihr, seine Hingabe an ihre Rettung erhält einen besonderen Unterton. Denn Kildares zweifelhafte Vergangenheit hat ihren Ursprung an dem Gerücht, dass er Homosexuell ist. Damals ein sündhafter Frevel, der selbst den Ruf eines hervorragenden Polizisten zerstören kann. Kildares Zuneigung ist jedoch mehr väterlicher Natur. Bill Nighy spielt den Ermittler meist unaufgeregt, aber mit einer wachen Mimik und einen klaren Verstand. Kildare ist ohne Zweifel erhaben und frei von Sünden – selbst wenn man der Figur eben solche anlastet. Der Twist an dem Charakter: Auch er lässt sich täuschen. Ist gar keineswegs so brillant wie dem Zuschauer suggeriert wird.
THE LIMEHOUSE GOLEM ist ein raffinierter Krimi, in dem Täuschung und Betrug nicht nur an den Figuren, sondern auch am Zuschauer begangen wird. Wir werden stets auf eine falsche Fährte geführt und regelmäßig durch die Fortsetzung der Lebensgeschichte von Elizabeth abgelenkt. Gegen Ende nimmt die Handlung an Fahrt auf. Die Zeit rennt und der Täter offenbart sich. Diese Wendung kommt überraschend, wenngleich sie so logisch wie offensichtlich ist. Und so endet der Film resignierend, aber zufriedenstellend. Es ist kein Film mit Happy End – jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Aber was ist auch schon klassisch in einem Film, in dem viel ungesagt bleibt und in dem nichts so ist, wie es scheint?
THE LIMEHOUSE GOLEM ist seit dem 30.12.2017 auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.
von Jörg Gottschling
Bewertung:
Quelle: Pressematerial Concorde Home Entertainment
Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.