Schroffe Frau verarbeitet fürchterlichen Verlust und trifft auf sterbenskranken Polizisten zwecks Aufklärung so mancher Verbrechen: THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI. Und um eines vorweg zu sagen, dieser Film von Martin McDonagh ist keine Komödie. Aber seine Figuren machen ihn stellenweise zu eben diesen.
INHALT:
Mildred (Frances McDormand) ist frustriert, verbittert und noch immer in tiefer Trauer. Die ruppige Verkäuferin in einem Sourvenir Shop irgendwo im Nirgendwo von Missourri hat ihre Tochter verloren. Das ist jetzt schon fast ein Jahr her. Ihre Heimatstadt Ebbing ist nicht mehr das, was es vorher einmal war, seitdem ihre Tochter auf brutale Weise ermordet wurde.
Doch die Polizei tappt nach wie vor im Dunkeln. Vielmehr noch hat sich Chief Willoughby (Woody Harrelson) und sein Team schon ewig nicht mehr bei ihr gemeldet. Und so entwickelt die taffe Frau einen brillanten wie provokativen Plan: Die drei verwaiste Reklametafeln kurz vor der Kleinstadt werden angemietet. Auf ihnen ist nun zu lesen „Vergewaltigt, während sie im Sterben lag.“, „Noch niemand ist verhaftet.“ und „Wie kommt das, Chief Willoughby?“.
Mit diesen Vorwürfen macht sie ihrem Frust Luft. Doch sie eckt auch an. Viele in der Stadt sehen ihre Aktion mit kritischen Augen. Auch, weil Willoughby sterbenskrank ist. Eine Kette von Ereignissen führt zur Eskalation. Das verschlafene Nest erwacht: Polizeigewalt, Selbstjustiz und mittendrin Menschen, die nicht wissen, wie sie ihren Emotionen Herr werden sollen…
FAZIT:
Mit THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI ist ein hervorragend, anspruchsvolles Drama gelungen, das trotz harter Themen nicht seinen Unterhaltungswert im komische Sinne verliert. Die Dialoge sind so spitzfindig, wie die Charaktere verschroben bodenständig. Diese Mischung aus Überzeichnung und Authentizität macht den Charme des Films aus und prägt die eher lustige Atmosphäre. Auf diese Weise widmet sich der Film gleich mehreren Themen, die für sich in der Einzelansicht höchst tragische Züge aufweisen: Alkoholismus, Krebs, Polizeigewalt, Selbstjustiz, Wandalismus, Rufmord und nicht zuletzt Vergewaltigung und Mord.
Im Fokus des Films steht Mildred. Als alleinerziehende Mutter zweier Kinder, die sich nur mühsam über Wasser halten kann, hat sie es ohnehin schon schwer. Nach Jahren konnte sie sich von ihrem gewalttätigen Mann trennen. Richtig gelöst hat sie sich aber nie. Immerhin hat man noch gemeinsame Kinder. Dass der Ex obendrein mit einer jungen, nicht ganz hellen Frau zusammenlebt, ist ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht. Und nun wurde auch noch ihre Tochter vor einigen Monaten ermordet – kurz nachdem Mutter und Tochter noch einen Streit hatten. Das verbittert Mildred und entzweit diese immer mehr von ihrem Sohn. Ein hartes Schicksal für alle Beteiligten, die nun mit dieser Vergangenheit leben müssen.
Doch wie soll man leben, wenn ein Mörder noch nicht gefasst wurde. Mildred weiß sich nicht mehr zu helfen, fühlt sich missverstanden und greift zu einem moralisch nicht sauberen Mittel. Die Plakate, die sie aufhängt, erschöpfen ihre finanziellen Rücklagen, doch sie wirken wie eine Flutwelle: Eine Kleinstadt erwacht. Mildred wird dadurch vom Opfer zum Täter. Die Situation spitzt sich immer weiter zu.
Es ist ein langsamer, nachvollziehbarer Prozess aus Hass, Gewalt und Hilflosigkeit, der in THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI gesponnen wird. Statt auf Hilfe durch die Gemeinschaft zu warten, ergreifen einzelne selbst die Initiative. Ihre Entscheidungen und Taten sind nicht immer richtig, aber sie wirken befreiend – auch für den Zuschauer. Damit gelingt es dem Drama durch seine Figuren und die Handlung ein Gefühl einzufangen, das uns alle belastet.
Schauspielerin Frances McDormand mimt darin eine dickköpfige, aber stolze Frau, die niemals aufgibt. Damit wirkt sie gar souveräner als die örtlich Polizei. Ihre Plakate sind ein Katalysator für eine Staatsgewalt, die sich wie ein Straßenköter in die Ecke gedrängt fühlt. Statt die Notlage der Frau zu erkennen, fühlen sich manche Polizisten angegriffen. Vor allem Polizist Dixon, gespielt von Sam Rockwell (MOON; 2009/ 7 PSYCHOS; 2012), gerät mit Mildred in Konflikt. Er steht für den stereotypisch-weißen Vorstadtpolizisten: so ist er rassitisch, gewaltbereit, kompromisslos und keineswegs geeignet für seinen Posten. Damit sind sich beide ähnlicher als sie zugeben wollen.
Tatsächlich übernimmt nicht Woody Harrelson, sondern Rockwell die zweite Hauptrolle. Die Dynamik des Duos treibt das Drama voran, schürt den Konflikt, an dessen Ende ein unerwartetes Bündnis steht. Diese und andere (teilweise recht brutale) Wendungen des Films, ohne weiter ins Detail zu gehen und die Überraschungen vorweg zu nehmen, machen THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI auch erzählerisch so herausragend gut.
Die erfrischende und erschreckende Unberechenbarkeit von Handlung und Figuren ist schwer verdaulich, hinterlässt Tiefschläge in der Magengrube beim Zuschauer. Ebenso wie Mildred eckt der gesamte Film an, ist gar ein realistisches Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft. Kompromisslos versucht sich jede Figur vor allen anderen zu schützen und seine Rechte durchzusetzen. Es ist ein dicker Schutzpanzer, den sich die Menschen zugelegt haben, ohne den sie in dieser, ihrer Welt nicht mehr leben könnten. Der Staat, die Gemeinschaft scheint nur eine Facette. Man lebt miteinander, weil man es muss, nicht weil man es will. Verbrecher kommen mit ihren Taten durch. Einfache Mütter werden beschuldigt. Autoritäten, staatliche Ordnungen im Rahmen der Gesetzmäßigkeiten aufgehebelt. Wer THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI schaut, der blickt auf keine fiktive Welt der Überzeichnung und erzähl-künstlerischen Konstruktionen. Nein, es ist eine Welt, die uns alle betrifft, die im Kern nachvollziehbar ist. Der einzige Unterschied ist nur, dass die Charaktere des Films viel konsequenter die Ketten der Ordnung durchbrechen und ihren Emotionen laut Luft machen.
Und so ist THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI ein schlafender Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Durch die Kombination aus skurrilen Charakteren und der verwobenen, wendungsreichen Story entsteht ein tragisches Filmvergnügen. Ja, Sir! Diese vielen Oscar-Nominierungen für dieses besonders ehrliche Drama waren alle verdient.
THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI ist seit dem 07.06.2018 auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.
von Jörg Gottschling
Bewertung:
Quelle: Pressematerial 20th Century Fox Home Entertainment
Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.