Schwarz auf weiß #22: LOLITA (1962)
Der Begriff „Lolita“ steht bis heute für eine junge Frau, die bewusst ihre Sexualität einsetzt, um ihre Ziele zu erreichen. Es ist eine verstörende Mischung aus Kindlichkeit und sexueller Reife. Die Verbindung von dem Kosenamen Lolita mit dem Begriff Kindfrau entstammt aus dem Roman „Lolita“ von Vladimir Nabokov. Die Geschichte aus dem Jahr 1955 war ein Skandal. Der Autor und Literaturprofessor Nabokov bot sein Werk verschiedenen Verlagen an und wurde abgelehnt, bis er schließlich einen kleinen französischen Verlag fand, der es veröffentlichte. Das Buch wurde zum Bestseller, auch wenn es sehr kontrovers diskutiert und vielerorts verboten wurde. Es machte Nabokov zum Star.
Für die Verfilmung des Stoffes durch Stanley Kubrick 1962 verfasste Nabokov auch das Drehbuch. Dieses war jedoch so lang, dass daraus ein 7 Stunden Film geworden wäre. Kubrick änderte es daher stark ab. Auch um einen Film zu produzieren, der nicht zensiert werden würde. Der Film lebt von dem perfekten Zusammenspiel aus Kameraführung und Regie, die wiederum den Darstellern zur Meisterleistung verhalf. Kubrick erkannte am Set das unglaubliche Talent von Peter Sellers (Quilty). Er ließ ihn den Charakter durch Improvisation am Set entwickeln und besetzte ihn später auch in DR. SELTSAM in gleich mehreren Rollen. Was jedoch den Film LOLITA anging sagte Kubrick später, wenn er sich bewusst gewesen wäre, was er aufgrund von Zensur alles aus dem Film schneiden oder abändert musste, hätte er ihn vermutlich gar nicht erst gemacht.
Zunächst zum Inhalt:
Humbert Humbert (James Mason) sucht das Haus auf, dessen Bewohner zwar schon lange kennt, aber gerade erst seine Identität herausbekommen hat. Es handelt sich um Clare Quilty, der betrunken ist und sich zu dessen Überraschung nicht mehr an ihn erinnern kann. Humbert ist gekommen um sich an Quilty zu rächen. Wofür er sich rächen möchte, wird in einer Rückschau erzählt. Vier Jahre zuvor kam Humbert in die USA, wo er am Beardsley College in Ohio eine Professur für französische Literatur annehmen wollte. Die Zeit bis zum Unibeginn verbringt er in Ramsdale, New Hampshire. Er mietet sich bei der Witwe Charlotte Haze ein. Humbert hat für Charlotte nicht viel übrig. Während sie glaubt, dass Humbert wegen ihres hübschen Gartens eingezogen ist, war der Grund ein ganz anderer. Ausschlaggebend war was er in dem Garten gesehen hat. Nämlich Dolores Haze, genannt Lolita, die nur im Bikini bekleidet im Garten lag. Humbert ist der Tochter von Charlotte sofort verfallen, obwohl sie noch ein Teenager ist. Genau ist ihr Alter nicht beziffert, aber es ist klar, dass Lolita sich nicht darüber im Klaren sein kann, was ihr Verhalten bewirken kann.
Während Charlotte jede Gelegenheit nutzt, um mit Humbert alleine zu sein, macht er dasselbe mit Lolita. Lolita ist schließlich auch der Grund dafür, dass Humbert Charlotte heiratet, um Lolita nahe zu sein. Schon zu Beginn der Ehe spielt Humbert mit dem Gedanken, seine Frau zu erschießen, bringt es jedoch nicht über sich. Das Schicksal löst dieses Problem jedoch schnell für ihn. Charlotte findet sein Tagebuch, in dem er detailliert seine Gefühle niedergeschrieben hat. Daraufhin stürmt sie wütend aus dem Hause, wobei sie von einem Auto erfasst und getötet wird.
Für Humbert ist nun der Weg frei. Er holt Lolita aus dem Ferienlager ab, verschweigt ihr aber zunächst den Tod der Mutter. Humbert wird mit der Zeit kontrollierender und paranoider, dies wird nur noch verstärkt durch das wiederholte Auftauchen von Clare Quilty in verschiedenen Maskeraden, die Humbert nicht durchschaut. Schließlich verschwindet Lolita und erst viel später bekommt Humbert die Umstände dafür heraus. Sie ist mit Quilty durchgebrannt, mit dem sie bereits während Humberts Ehe mit Charlotte eine Affäre hatte. Er wollte sie später jedoch zur Pornografie zwingen. Lolita ist mittlerweile verheiratet, schwanger und bittet Humbert um Geld. Ein letzten Überzeugungsversuch mit ihm ein neues Leben zu beginne, lehnt Lolita ab. Er gibt ihr Geld und geht, um sich an Quilty zu rächen. Der Film endet da wo er begann.
James Mason spielt den besessenen Humbert, der so verliebt ist in Lolita, dass er bereit ist zu morden, um sie haben zu können. Und doch könnte man fast Mitleid mit ihm haben, wie er ein Spielball von Lolita ist. Durch das wiederkehrende Auftauchen von Clare Quilty (Peter Sellers), zweifelsohne der stärkste Charakter des Films, bringt Humbert immer wieder aus der Fassung. Er ist nicht das einzige, aber dennoch auch ein Opfer der Geschichte. Wer in wen verliebt ist und wer nur manipuliert, lässt sich irgendwann nicht mehr so genau sagen. Sue Lyon als Lolita setzt ihre Vorzüge verstörend gekonnt ein. Es ist schwer zu glauben, dass die Jungschauspielerin damals erst 14 Jahre alt war. Sie wirkte eher wie 17 und auch das relativiert das Verhalten der Männer nicht. Hier ist jeder sich selbst der Nächste, alle manipulieren und betrügen. Lolita ist auf der einen Seite ein Charakter, der die Männer verführen will, weiß es aber auch nicht besser. Sie heiratet schließlich einen Mann von dem sie sagt, er wäre ein netter Kerl. Sie hat nie gelernt wirklich zu lieben. Sie hatte die Männer zwar immer im Griff, war aber letztendlich das Opfer der Männer.
Bis heute zieht LOLITA seine Kreise. Sei es die herzförmige Brille vom Kinoplakat, die verbunden mit dem Film ist, obwohl sie im Film gar nicht eingesetzte wurde, oder eben der Begriff Lolita selbst. Es ist nicht der stärkste Film Kubricks, aber auch eine sehr gute Studie über die Abgründe der Menschheit.
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