War Machine - Review | Eine Militär-Satire von Netflix
Kritiken,  On Demand

WAR MACHINE (2017)

General, Fürsorger & Kriegstreiber

In WAR MACHINE von David Michôd mimt Brad Pitt einen hochrangigen und vielfach ausgezeichneten General, der mit einer modernen Organisation, viel gutem Willen und noch mehr Engagement verzweifelt versucht einen Krieg zu beenden – und auch zu gewinnen. Die Netflix-Produktion ist eine Mischung aus lockerer Satire, bitterböser Komödie und ernstem Drama.

INHALT:War Machine - Poster

Afghanistan: Seit dem Beginn des Krieges gegen den Terror nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 ist dies die erste von vielen militärischen Stationen der USA. Doch noch immer ist das Land instabil und noch immer werden einige Regionen von Extremisten kontrolliert. Trotzdem hat Präsident Obama versprochen, dass sich seine Nation aus Afghanistan kontrolliert zurückziehen soll. Jedoch ohne die dortige Regierung schutzlos zurückzulassen.

Genau dafür wurde nun ein neuer General eingesetzt. Ein Mann mit innovativem Denken. Ein Mann, der weiß, dass man in solchen modernen Kriegen nicht als Besatzer auftreten darf, sondern die Sympathien der Bevölkerung für sich gewinnen muss. Ein Mann, der hoch dekoriert wurde. Der sich auszeichnete und sich nicht zu schade war, seinen Bunker weit hinter den feindlichen Linien zu verlassen, um Seite an Seite mit seinen Waffenbrüdern zu kämpfen: General Glen McMahon – er ist eine Legende. Und sein Team ist eine eingeschworene Gemeinschaft aus groben Rüpeln und cleveren Marketingexperten.

McMahon soll aufräumen, abbauen und verschwinden. Doch er ist auch ein Soldat. Und Soldaten hauen nicht einfach ab. Soldaten gewinnen diesen verdammten Krieg. Und dafür braucht es keinen Abbau, sondern mehr Männern. Doch leider stellen ihm die Politiker immer wieder Steine in den Weg, machen es ihm gar unmöglich, seinen Job zu erledigen.

Eine Tour durch Europa soll helfen, um den Verbündeten Nation weitere Truppen abzugewinnen. Doch leider ist der Auftritt von McMahon und seinem Team nicht so souverän, wie man es geplant hat. Und dann wird auch noch die Macht der Medien völlig unterschätzt….

FAZIT:

WAR MACHINE ist Satire, die richtig wehtut. Mit jedem Lacher kommt das große Schlucken. Weniger ironisch als vielmehr bitter zynisch wird über das modernste Militär der Welt, über eine Armee, die sich als Weltpolizei versteht, hergezogen. Brad Pitt spielt dabei einen General, der vorwärts-gewandt denkt, aber rückwärtsgewandt handelt.

In WAR MACHINE funktioniert tatsächlich jeder Einsatz wie eine eingespielte Maschine. Aber es ist eine sehr Alte, die regelmäßig gewartet und teilweise rudimentär erneuert wurde, um sich einer Situation anzupassen, für die es eigentlich noch keine richtige Lösung gibt. Es fehlt also eine neue Maschine. Aber im Grunde ist jeder Krieg ja auch der selbe. Jedenfalls handelt so das Militär: Mit mächtigen Waffen einnehmen, die Gegend halten oder wenigstens stur dort bleiben.

Als stur könnte man auch General McMahon bezeichnen. Brat Pitt brilliert, ja dominiert in dieser Rolle den Film. Die größte Stärke seiner Figur: Zwanghafte Bescheidenheit trotz ruhmreicher Taten. Ein Soldat weiß eben was er tut und für wen er ist tut. Er steht loyal zu seinem Land und seinem Heerführer, dem amerikanischen Präsidenten. Und doch zeigt er sich als relativ beratungsresistent. Sein Auftreten ist herrlich Hölzern und seine Hände stets verkrampft. Seine Selbstwahrnehmung ist verzehrt. So denkt er, dass er ein guter, wirkungsvoller Redner sei und die modernen Medien im griff hätte. Dabei ist er „nur“ ein hervorragender Anführer, der völlig naiv, tölpelhaft und grobschlächtig auf dem internationalen Parkett agiert. McMahon ist eben ein Soldat und kein Medienstar – doch genau das versucht er zu werden, indem er ein Interview mit dem Rolling Stone Magazin geradezu einfordert und die Konsequenzen dessen noch nicht einmal erahnt.

Glen McMahon verkörpert den Zwiespalt, indem moderne Heere heute stehen: Auf der einen Seite sollen sie den Feind bekämpfen und nach Tugend und Pflicht eines Soldaten handeln, auf der anderen Seite jedoch als humanitäre Helfer die Sympathie der Bevölkerung gewinnen und möglichst wenig Zerstörung anrichten. Obendrein ist der Militärapparat durch die vielen Bündnispartner absolut verbürokratisiert: Manche Nationen stellen gerade einmal zwei Soldaten, benötigen für dessen Verwaltung aber zehn weitere.

Auch die anderen Figuren, das Team um den General wirkt eindimensional und inselbegabt. Da sind die beiden harten Bodyguards, dessen Aufgaben bis zum Ende des Films nicht wirklich klar sind, und der Roady, ein einfacher Soldat niederen Ranges, dessen einzige Beschäftigung es ist, das Gepäck seines Generals von A nach B zu tragen. Natürlich darf in einem modernen Führungsstab auch ein Marketingexperte nicht fehlen. Er ist ein Mittvierziger mit Halbglatze, auf den keiner hört. Statt dessen setzt man auf einen jungen Wilden, der den General in ein ganz anderes Medienlicht rücken möchte – doch wir ahnen es, dass das nur schief gehen kann. Komplettiert wird die Reihe durch einen Computerexperten, dessen Auftritte sich darauf beschränken, die Videokonferenzen des Generals einzurichten. Diese Gruppe von Klischees könnte als große Schwäche des Films ausgelegt werden, doch sie passt zum Thema, ja zum Kritikpunkt des Films: Moderne Kriegsführung braucht kein Update, durch moderne Experten (Marketing, PR & IT), sondern es benötigt einen kompletten Relaunch.

Wie schwierig diese Lage gegenüber dem Land ist, zeigt sich darin, dass Brat Pitt in einer verständnisvollen, ehrlichen Rede der Bevölkerung zu verstehen geben möchte, dass die US-Army kein Besatzer ist und ihnen nur das Beste will. Und die Menschen nur sinngemäß sagen: „Geht weg, ihr macht alles es nur noch schlimmer.“ In WAR MACHINE wird daher eines ganz deutlich: In modernen Kriegen gibt es keinen Gewinner mehr.

Vielmehr soll die Soldaten ein Land voller unerledigter Aufgaben verlassen. Sie dürfen nicht die Mittel einsetzen, mit denen sie das Land sicher machen können. Und sie sollen am Besten niemanden schaden, begeben sich aber selbst täglich in Lebensgefahr, weil diese Regeln für ihren Feind nicht gelten. Das alles wird in WAR MACHINE sehr sauber herausgearbeitet und bewirken sowohl Unverständnis gegenüber als auch Mitleid für die Soldaten dieser modernen Kriege. Ein Zwiespalt, der den ganzen Film prägt.

Bei so viel scheinbarer Realsatire, bei so vielen Angriffspunkten, die den Kampf gegen den Terror ad absurdum führen und bei solchem bitter-ernsten Beigeschmack, kann der Humor sich nur auf zwei Arten entfalten: Durch Slapstick oder durch bitteren Zynismus. WAR MACHINE hat sich für den Zynismus entschieden und tut sehr gut darin. Die Pointen liegen in der absurden Situation, in der die Soldaten stehen. Aufgelöst werden sie Pointen wesentlich durch einen locker-flockigen Charme, in dem die Figuren eingeführt und eingebettet werden. Damit erhält WAR MACHINE auch etwas kultiges – und trashiges. Und spätestens nach diesem Film ist klar, dass auch ein modernen Krieg gegen den Terror richtiger Müll ist.

WAR MACHINE kann auf Netflix von allen Abonnenten angeschaut werden.

von Jörg Gottschling

Quelle: Pressematerial Netflix 2017

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Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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