The Circle - Review | Romanverfilmung mit Emma Watson und Tom Hanks
Kinokritik,  Kritiken

THE CIRCLE (2017)

Das Ideal vom gläsernen Menschen

Der Thriller THE CIRCLE ist eine bedrückende, zeit-geistliche Auseinandersetzung über den Umgang mit digitalen Daten. Unter dem Deckmantel altruistischer Ideen schart ein gigantische Unternehmen junge Menschen um sich und baut ein internationales Informationsnetzwerk auf, dessen enge Maschen tief in die Privatsphäre des einzelnen eindringen. Was wie ein düsteres Szenario klingt, erweist sich als realistisches Gedankenspiel und ist erschreckend nah an unserer Gegenwart dran.

 

INHALT:The Circle - poster | Ein Thriller mit Emma Watson und Tom Hanks

Mae Holland (Emma Watson) kommt aus einer verschlafenden Kleinstadt. Doch sie ist gut ausgebildet und träumt davon, in ihrem Beruf wirklich etwas bewirken zu können. Derzeit arbeitet sie allerdings als Kundenbetreuerin für die hiesigen Stadtwerke. Ihre Freundin Annie (Karen Gillian) organisiert ihr jedoch ein Bewerbungsgespräch bei dem internationalen Konzern „The Circle“, der durch seine innovativen, digitalen Dienstleistungen, den gesamten Online-Sektor beinahe wöchentlich revolutioniert. Die neuste Erfindung: Kleine Kameras, die in Guerilla-Aktionen weltweit an allen öffentlichen Plätzen installiert werden.

Mae bekommt eine Stelle und beginnt dort als „Guppy“ (Anfänger) im Customer Management. Alles wirkt locker, nichts muss, alles kann und jeder einzelne Mitarbeiter wird als Bereicherung für das ganze Unternehmen verstanden. Doch der Druck kommt durch die Hintertür. Jede Kundenbewertung beeinflusst den eigenen Score. Der wiederum bestimmt den Status im Unternehmen. Gleichzeitig vereinnahmt The Circle seine meist jungen Arbeitnehmer durch „freiwillige“ Freizeitaktivitäten. Dazu gehört auch ein eigenes Profil im sozialen Netwerk und die Selbstverständlichkeit seine Wochenenden auf dem Konzerngelände, auf dem man auch wohnt, zu verbringen.

Für Mae ist das alles sehr aufregend und trotz erster Skepsis lässt sie sich auf dieses neue Umfeld ein. Denn sie ist gut, sehr gut, in dem was sie macht. Nach einem Shitstorm gegen ihren Jugendfreund Mercer (Ellar Coltrane), beginnt dieses Bild von The Circle zu bröckeln. Um den Kopf frei zu bekommen, macht sie das, was sie immer in solchen Fällen macht: einen Kajak-Trip auf dem See. Nur ist es diesmal Nacht und die Sichtverhältnisse sind schlecht. Es kommt zu einem Unfall, den Mae nur deswegen überlebte, weil auf einer Boje eine dieser kleinen Kameras installiert war.

Nun ist sie überzeugt von den guten Taten, die The Circle und die beiden philanthropischen Geschäftsführer Bailey (Tom Hanks) und Stenton (Patton Oswalt) bewirken können. Sie entschließt sich zu einem mutigen Schritt: Sie selbst wird der erste gläserne Mensch sein und jeden Tag eine der Kameras an ihren Körper tragen. Denn „Geheimnisse sind Lügen“. Und nur die transparente Wahrheit ist der Schlüssel für eine sichere und gute Welt. Welche Konsequenzen die uneingeschränkte Transparenz des eigenen Lebens jedoch haben werden und welche wahren Ziele die Geschäftsführer von The Circle verfolgen, ahnt Mae noch nicht…

FAZIT:

THE CIRCLE ist die Romanverfilmung des gleichnamigen Romans von Dave Eggers. Der Roman wurde 2013 veröffentlicht und ist eines dieser recht neuen Werke, die sehr schnell auch seinen Weg auf die Leinwand finden. Darin dehnt ein Großkonzern seine Macht durch digitale Transparenz aus und zwingt durch das angehäufte Wissen der Nutzer sogar Regierungen dazu, ihre Plattformen und Apps zu nutzen. Das Motto: „Wissen ist gut, mehr Wissen ist besser.“ In einer Zeit, in der die Welt von dem Einfluss weniger bestimmt wird, schreien die Menschen nach Transparenz. Nur so können Korruption und Intrigen in den Führungsschichten der Konzerne und auf politischer Ebene verhindert werden.

Die Glaubwürdigkeit wird durch total Offenheit zwar gestärkt, dadurch wird aber auch die Privatsphäre eingeschränkt. Diesen Zwiespalt arbeitet THE CIRCLE eindringlich aus. Das Ergebnis: es gibt keine Lösung, um dieses Problem ohne notwendige Einschränkungen zu lösen. So genießen die eigenen Geschäftsführer des Unternehmens eine ausgedehnte Privatsphäre jenseits digitaler Datensammlung. Man sieht also: Wer Macht erhält, indem er Wissen anhäuft, kann diese Macht nur erhalten, indem er selbst zum Geheimnis wird. Ein Teufelskreis, der auch für einen Philanthropen gilt.

Auf bedrückend realistische Weise erzählt THE CIRCLE weiterhin davon, dass wir alle Herdentiere sind und dem kollektiven Geist blind hinterher laufen. Vielmehr geht es um soziale Kontrolle und dass auf eine sehr geschickte Weise: Dem Arbeitnehmer werden viele Freiheiten gelassen, er wird sogar darin unterstützt, ein soziales Leben zu haben. Doch damit wird er auch an eine Gesellschaft gebunden, die künstlich aufgebaut wurde, die nach den selben Idealen und Zielen strebt. Regelmäßige Vorträge und Veranstaltungen überzeugen die Mitarbeiter von ihrer Arbeit in The Circle und bringen diese so auf Kurs – eine Gehirnwäsche durch die Hintertür.

Emma Watsons Figur der Mae Holland macht deutlich, dass sich selbst gebildete, modern denkende Menschen der Macht der Masse nicht entziehen können. Der Clou: Man muss nur genügend Menschen, die (ungeachtet von Bildung oder sozialer Erziehung) gleich denken, zusammenbringen und auf einen gemeinsamen Pfad lotsen. Watson bringt eine Naivität in ihre eigentlich aufgeklärte Figur hinein. Bei mir entstand eine Fassungslosigkeit durch die Unerklärlichkeit der Entwicklungen. So weiß Mae sehr wohl, dass der Weg von The Circle nicht vollends richtig ist. Und doch beschreitet sie den Weg – sogar in einer Vorreiterrolle. Wie kommt es zu so einem Verhalten? Warum wacht sie erst so spät auf?

THE CIRCLE ist ein Spiegelbild der Entwicklungen, in denen wir uns aktuell befinden. Das macht den Film so nachvollziehbar, so authentisch. Die Work-Life-Balance ist ein Aushängeschild großer Unternehmen. Diese stellen Sofas in den Büros auf, geben Gratisgetränke aus und bieten Freizeitmöglichkeiten. Das Ziel ist nicht nur, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, sondern auch dass diese an das Unternehmen gebunden werden – im besten Fall gar nicht mehr merken, dass sie schon 15 Stunden im Büro sitzen. Dieses Szenario wird in The Circle zwar auf die Spitze getrieben, ist jedoch bereits genauso real, wie die vielen tausend Kameras in den Großstädten und die unzähligen Informationen, die wir in jeder Sekunde kostenlos an Google, Facebook und Co abgeben.

Diese Tatsachen sind nicht neu, aber wie Herdentiere machen wir mit, können uns diesem gar nicht entziehen. Und so trifft THE CIRCLE letztlich nicht nur die fiktiven Charaktere des Films, sondern auch uns. Transparenz hilft vor zu viel Macht. Doch jeder Mensch ist fehlbar. Und ohne Geheimnisse wird die Macht eingebüßt. Der Lösung dieses Dilemma muss sich unsere Gesellschaft stellen. Schon heute!

THE CIRCLE läuft seit dem 07.09.2017 in den deutschen Kinos.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Universum Film 2017

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Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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