Everybody wants some
Kinokritik,  Kritiken

EVERYBODY WANTS SOME!! (2016)

Zeitreise mit Richard Linklater

Vor etwas mehr als 20 Jahren schenkte uns der texanische Regisseur Richard Linklater mit DAZED AND CONFUSED einen Film, der seinerzeit auf fabelhafte Art und Weise das Lebensgefühl von Highschool-Kids Ende der Siebziger Jahre schilderte. Damals versammelte er dafür die Newcomer Ben Affleck, Matthew McConaughey oder Milla Jovovich – und auch in EVERYBODY WANTS SOME!!, der geistigen Fortsetzung, setzt Linklater wieder auf unverbrauchte Gesichter. Warum seine neueste Perle sogar eine Glänzende ist, erfahrt ihr in meiner Kritik.

INHALT:

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Texas, 1980: Der Baseball-Spieler Jake (Blake Jenner) kommt frisch aus der High-School am College an. Bis der Ernst des Uni-Lebens beginnt, bleiben dem smarten Sportler und seiner schrägen Männer-WG noch ein verlängertes Wochenende voller Parties, Flirts und Alkohol. Bereits wenige Minuten nach seiner Ankunft lernt er dabei die Kunststudentin Beverly (Zoey Deutch) kennen, die sofort ein Auge auf ihn wirft. Das letzte freie Wochenende vor Uni-Beginn ist zeitgleich eine Reise durch verschiedenste Parties, Musikstile, Drogen und allerlei schräger Typen, die zusammen die ersten Schritte ins Erwachsensein machen.

FAZIT:

Mit EVERYBODY WANTS SOME!! ist Richard Linklater (BOYHOOD; 2014) eine echte Indie-Perle gelungen. Der texanische Regisseur benötigt dazu noch nicht einmal eine konkrete Handlung, denn EVERYBODY WANTS SOME!! lebt von seinen Dialogen, dem genialen Soundtrack und seinem Charme.

Obwohl mit Ablauf des Wochenendes die Zeit gegen Jake und seine Freunde läuft, wird der Zuschauer mit einer grandiosen Lässigkeit bombadiert, die komplett ohne jeglichen Zynismus auskommt.

Nachdem Jake seine neuen Mitbewohner und gleichzeitig Mannschaftskameraden kennenlernt, fühlt man sich als Beobachter gleich in der Clique aufgenommen und als Teil der WG. Die Kamera nimmt dabei am Sitzkreis teil, während die Darsteller völlig losgelöst über Dieses und Jene plaudern. Die Dialoge sind es, die den Film tragen. Linklater konnte seine Zuschauer bereits in der BEFORE SUNRISE-Trilogie mit Gesprächen über das Leben, Musik oder absolut unerhebliche Dinge unterhalten, und das setzt er in EVERYBODY WANTS SOME!! gewohnt fort. Mit großer Liebe für seine Figuren entwickelt der begnadete Geschichtenerzähler ein tolles Porträt über das Lebensgefühl einer Generation, die noch ohne moderne Technik und Social Media auskam. Dabei merkt man deutlich, dass der Regisseur zum Zeitpunkt der Handlung selbst erst 20 Jahre alt war – beste Voraussetzungen also, um ein realistisches Bild abzuliefern.

Auch der formidable Cast trägt seinen Teil dazu bei. Neben den souveränen Blake Jenner und Zoey Deutch gefallen vor allem Tyler Hoechlin, Glen Powell und Juston Street. Die Darsteller dürften höchstens aus der ein oder anderen Serie bekannt sein, was die Identifikation mit den Protagonisten noch leichter macht. Es sind die Typen von nebenan, mit denen man einfach stundenlang abhängen und über Gott und die Welt plaudern möchte.

Soundtechnisch ist der Film ganz große Klasse, denn der Soundtrack vereint die verschiedensten Genres der Generation und bietet eine Zeitreise sondergleichen an: Egal ob Van Halen, Blondie, die Sugarhill Gang oder The Knacks – so bunt wie der Film und seine Darsteller sind, so präsentiert sich auch die Musik. Die Figuren befinden sich in einer Selbstfindungsphase und besuchen mehrere Parties, mal im „Soul Machine“, dann im „Cotton Eye Joe’s“ oder auf einer Punk- Feier – die 80er leben. Sofort fühlt man sich zurückversetzt in eine Generation, die mit Ende der 70er und Anfang der 80er zwischen Funk und Disco steht.

EVERYBODY WANTS SOME!! ist tatsächlich die indirekte Fortsetzung zu DAZED AND CONFUSED. Wie sein Vorgänger kommt der Film extrem authentisch rüber, was viele Mainstream-Zuschauer abschrecken dürfte. Vulgäre Gespräche kommen zwar vor, sind aber eher selten und auch dann nur Mittel zum Zweck. Oft geht es ins Spirituelle oder Existenzielle, was aber in einer vergleichsweise leichten Erzählart konstruiert wird, womit die knapp 2 Stunden Laufzeit wie im Flug vergehen. Auch die verwendete Technik ist professionell, aber nicht reißerisch. Viele Szenen kommen ohne sichtbaren Schnitt aus, die Farben sind bunt, aber nicht verspielt.

Einzig und allein die quasi nicht vorhandene Handlung kann den ein oder anderen Zuschauer abschrecken, denn Höhepunkte oder Wendungen gibt’s nicht – der Film lebt von seinen Dialogen, der Musik und seinen Darstellern. Die Figuren sind am College, um keine lange, sondern eine gute Zeit zu verbringen. Genau so eine gute Zeit bietet EVERYBODY WANTS SOME!!.

EVERYBODY WANTS SOME!! läuft seit dem 02.06.2016 in den deutschen Kinos.

von Salih Yayar

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Constantin Film 2016

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Hey, ich bin Salih, 28 Jahre alt, kinosüchtig und Serienfreund. Große Epen, Sci-Fi und Independent sind mein Ding - also eigentlich alles. Und wenn ich nicht gerade über Multimedia oder Politik diskutiere, versuche ich selber mal etwas auf die Leinwand zu zaubern. Meistens kläglich.

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