Mord im Orient Express 2017 - Filmkritik | Review
DVD & Blu-Ray,  Kritiken

MORD IM ORIENT EXPRESS (2017)

Optisch ansprechender Ensemble-Krimi ohne Rätselspaß

Mit MORD IM ORIENT EXPRESS kehrt der gute alte Krimi wieder zurück auf die Leinwand. Optisch aufgepeppt und brillant besetzt, setzt Regisseur und Schauspieler Kenneth Branagh auf hochwertige Bilder mit interessanten Figuren. Leider lässt man den Figuren nicht genug Zeit, sich zu entfalten. Entsprechend flott verlaufen sich auch die Ermittlungen in einer Oberflächlichkeit, die fast an eine Frechheit grenzt.

 

INHALT:Mord im Orient Express - Blu-Ray-Cover | Im Handel erhältlich

Eigentlich wollte Meisterdetektiv Hercule Poirot (Kenneth Branagh) endlich mal Urlaub machen, zur Ruhe kommen. Doch egal, wo er ist, zieht er die Raub- und Mordfälle wie ein Magnet an. Und so muss er unerwartet wieder seine Freizeit unterbrechen und kurzfristig nach London reisen.

Dafür erhält er glücklicherweise den letzten Reiseplatz im nächsten Orient Express nach Calais. In den Wagons der ersten Klasse trifft er auf eine munter durch gewürfelten Reisegesellschaft. Der zwielichtige, narbengesichtige Geschäftsmann Edward Ratchett (Johnny Depp) macht ihn während einer privaten Unterredung das Angebot, für eine Ermittlung. Poirot soll dessen Mord aufklären. Dabei ist er noch gar nicht tot. Aber er ist festen Glaubens, dass ihn jemand verfolgt.

Tatsächlich kommt es nach einer turbulenten Nacht zur Tat. Am nächsten Morgen wird Ratchett mit dutzenden Messerstichen in seinem Abteil gefunden. Wer ist der Mörder? Ist der Mörder gar noch im Zug? Poirot, der eigentlich abgelehnt hatte für das Opfer zu arbeiten, beginnt mit seinen Ermittlungen. Die Tatverdächtigen sind die Passagiere der ersten Klasse: Der Arzt Dr. Arbuthnot (Leslie Odom Jr.), die junge Miss Mary Debenham (Dasiy Ridley), Ratchetts Gehilfe Hector MacQueen (Josh Gad), Prinzessin Dragomiroff (Judi Dench), ihre Kammerzofe Hildegard Schmidt (Olivia Coleman), Gerhard Hardman (William Dafoe), Caroline Hubbard (Michelle Pfeiffer), Graf Rudolph Andrenyi (Sergei Polunin) und seine Gemahlin Elena (Lucy Boynton), Edward Henry Masterman (Derek Jacobi) und Pilar Estravados (Penelope Cruz).

FAZIT:

MORD IM ORIENT EXPRESS ist ein schöner Ensemblefilm, mit großen Stars, der sich genau darauf ausruht. Doch bekannte Filmgrößen, ein atmosphärisches Setting und eine hervorragende Kameraarbeit von Haris Zambarloukos (THOR; 2011/ BATMAN BEGINS; 2005) reichen nicht aus, um eine bekannte Geschichte nach Agatha Christie zu tragen.

Die Krux des Films liegt im Detail: Die Einführung ist viel zu lang. Doch die Vorstellung der Figuren (noch bevor diese in den Zug steigen) wirkt plump, fast plakativ. Es werden Brotkrummen in Boot-Szenen, an Hoteleingängen geliefert, die mysteriös anklingen, aber offensichtlich ein Indiz für spätere Ermittlungen sein sollen. Miträtseln nicht nötig, denn dessen bedeutungsschwangere Intention trieft aus den atmosphärischen Kostümszenen hervor.

Auch die Ermittlungen sind reiner Selbstzweck, um Bilder zu inszenieren, statt eine Geschichte zu erzählen: So weiß Hercule Poirot Dinge, die kann der Zuschauer gar nicht erahnen. Es gibt nahezu keine versteckten Hinweise, die hinterlassen werden. Statt dessen deduziert der Meisterdetektiv aus seinem Majestät-Wissen heraus. So mag zwar alles logisch ineinander laufen. Aber es geht dadurch auch der Reiz an klassischen Krimis dieser Art verloren. Schließlich will man miträtseln. Aber das wird ebenso wenig erlaubt, wie es den Figuren möglich ist, ihre Hintergründe zu entschlüsseln.

Arbeitet der Film von 1974 noch mit einer Vielzahl an Rückblenden, bei denen jede Figur wirklich ein Profil erhält, verschenkt diese Version beinahe jede Möglichkeit für die nötige Figurentiefe. Nur der Meisterdetektiv erhält seine Plattform, seine viel zu lange Einführung zu Beginn des Films. Wir erfahre von seiner Leidenschaft für Süßes, von seiner Hinwendung für die Bartpflege. Alle anderen bleiben Stereotypen, Beiwerk, das sich in stimmiges Setting platzieren darf und ihre drei Worte sagt, bevor der Meisterdetektiv zu seiner Konklusion kommt. Jene präsentiert sich als letztes Abendmahl: Poriot schreitet zu den Verdächtigen, die sich um einen langen Tisch platziert haben. Wieder eine optisch, sehr schöne Szene. Doch Schönheit und Kostüm ist eben nicht alles.

In all der Farbenpracht und der Einsamkeit im glänzend weißen Schnee wird es gegen Ende sogar noch ein wenig turbulent: Doch diese Actionszenen sprengen recht unpassend die eigentlich gesitteten, dialoglastigen Ermittlungen, wirken darin wie wahre Fehlkörper in der Geschichte. Plötzlich wird der gemütliche Detektiv zum agilen Jäger des Schurken.

Auch die Tatsache, dass die Figuren ihr Kammerspiel im Zug immer wieder verlassen, um leichtbekleidet in der Eiseskälte wichtige Dialoge zu führen, stört die eigentlich dichte Atmosphäre. Man wollte wohl nicht immer im Zwielicht des Wagons drehen, sondern auch die Schönheit der Bergwelt auf Bild erfassen. Auch das ist ohne Zweifel gelungen, gerade diese Bilder sind fantastisch – inhaltlich machen sie jedoch nur wenig Sinn.

Und so bleibt ein gemischtes Gefühl zurück. Auf der einen Seite ist MODR IM ORIENT EXPRESS ein optisch grandioser Film mit einem wirklich großartigen Ensemble in einer fabelhaften Kulisse. Leider dürfen sich diese Schauspieler auf er anderen Seite keineswegs adäquat präsentieren. Und auch der Story wird nicht genug Raum gelassen, um sich konkret zu erklären.

Im Gegenteil: Es wird zu viel vorausgesetzt. Es wird viel zu wenig auf den Kern der Geschichte eingegangen. Die Ermittlungen wirken oberflächlich und rasen im Stechschritt von Verhör zu Verhör. Nach fast 30 Minuten Einführung bis die Figuren überhaupt erst in den Zug steigen bleiben auch nur noch 1,5 Stunden bis zum Ende. Das ist knapp. Für diesen Erzählstil, für diese komplexe Geschichte mit so vielen Personen und Schicksalen viel zu knapp.

MORD IM ORIENT EXPRESS ist ab dem 23.03.2018 auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.

von Jörg Gottschling

Bewertung:

banane_ranking_3.5

Quelle: Pressematerial 20th Century Fox

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