For No Eyes Only
DVD & Blu-Ray,  Film,  Kritiken

FOR NO EYES ONLY (2014)

Auf Hitchcocks Spuren

 

INHALT:For no eyes only

Es könnte gerade nicht schlechter laufen: Der Hockey-Spieler und Informatik-Nerd Sam (Benedict Sieverding) sitzt zu Hause fest, weil sein Schienenbein durch einem Unfall beim Training zerschmettert wurde. Er verdankt diese fiese Verletzung seinem neuen Mitschüler Aaron (Tali Barde), der frisch von einem Internat kommt und über den bisher noch nicht allzu viel bekannt ist.

Aus der Not eine Tugend machend, vertreibt sich Sam sein Wochenende mit Junk Food und Videospiele. Als er durch einen Kumpel an ein Hack-Programm kommt, mit dem er sich in fremde Webcams einwählen kann, nutzt Sam das Schulnetzwerk aus und spioniert seine Mitschüler und Lehrer aus. 

Doch wie prekär sein Hack ist, bekommt Sam recht bald zu spüren: Ausgerechnet Livia (Luisa Gross), das Mädchen, in das er sich gnadenlos verschossen hat, möchte einen Tag, nachdem er sie aus gespitzelt hat, von ihm Informatik-Nachhilfe bekommen. Blöd nur, dass sie prompt bei der Besichtigung seines Zimmers sein kleines Geheimnis entdeckt. Statt jedoch komplett verärgert abzuhauen, findet sie gefallen an dem Hack. Fortan hocken sie gemeinsam vor den Kameras und beobachten Mitschüler und Lehrer.

Als Sam eines Abends beim Ausspionieren von Aaron, diesen mit einem Messer in sein Zimmer gehen sieht, schlagen bei Sam die Alarmglocken. Da er einen Tag vorher ein großer Streit zwischen Aaron und seinem Vater beobachtet hat, hat Sam einen schwerwiegenden Verdacht: Aaron könnte seinen Vater ermordet haben.

Mit Hilfe von Livias Charme können sich die beiden Zugang zu Aarons Haus verschaffen und verwanzen es. Trotz guter Beweise, dass alles normal ist, steigert sich Sam jedoch immer weiter in seine gesponnene Geschichte hinein, während bei Livia zunehmend Zweifel an Sams Zurechnungsfähigkeit wachsen. Interpretiert Sam zu viel in die Geschichte hinein? Oder hat Aaron doch etwas zu verbergen?

FAZIT:

Ein unbeholfener Junge und ein selbstbewusstes Mädchen verschlingen sich, dank ihrer Neugier, immer weiter im Probleme und kommen sich dabei immer näher: Eigentlich keine sonderlich neue Geschichte. Der Film FOR NO EYES ONLY nimmt dies jedoch nur als Grundgerüst. Vielmehr spielt er mit der Macht der Suggestion im doppelten Sinne und überzeugt durch sein pointiertes Spiel, in dem er die klischeebehaftete Erwartungshaltung des Publikums gleichzeitig erfüllt, wie er diese durch eine gesunde Portion Realismus immer wieder zu brechen versteht.

FOR NO EYES ONLY hat etwas Nüchternes ohne ernüchternd zu sein. Dies liegt an manchen Charakteren, die fast stoisch ihren immer gleichen Tagesablauf nachgehen und dabei kaum Anteilnahme an den Aktivitäten ihrer Mitmenschen zeigen. Ein typisches Phänomen für eine Generation, die scheinbar die Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation verloren hat und sich nur noch über digitale Kanäle auszudrücken versteht.

Ausgesprochen ironisch zeigt sich der Film FOR NO EYES ONLY, vor allem in seiner Darstellung des Schulalltags: Mitschüler finden statt, ohne wirklich eine Bedeutung zu erhalten und werden doch durch einzelne Minigeschichten kurzzeitig hervorgehoben. In diesen Szenen halten sie beispielsweise gelangweilt Referate und beziehen sich auf die „Quelle Wikipedia“, während die Lehrer, denen dies offensichtlich alles gleichgültig ist, sogar noch für diese zweifelhafte Leistung lauthals applaudieren.

Auch Sams Bruder, der noch als erstes Hack-Opfer herhalten musste und zu Beginn bedeutend für den Film schien, wird im Laufe des Films zu einem Running Gag. So taucht er immer in den Momenten auf, in denen Sam am meisten Unterstützung gebrauchen könnte. Allerdings zeigt sein Bruder in eben diesen Momenten nur wenig Interesse, Sam, der durch sein kaputtes Bein sehr eingeschränkt ist, in irgendeiner Form beizustehen.

In einem anderen Beispiel verliert sich ein Polizist in einem Verhör gegen Ende des Films völlig in seiner Routine und wirft ein Zuckerstückchen nach dem anderen in seinen Kaffee. Wie selbstverständlich wird dieses Zuckergemisch schließlich und zum Erstaunen von Sam und Livia getrunken. Es sind genau diese Zeichen von kollektiven Desinteresse und diese absurden Selbstverständlichkeiten, die manche Nebenpersonen an den Tag legen, die den subtilen Humor des Films bestimmen.

Nicht nur witzig, sondern auch packend, versteht FOR NO EYES ONLY, den Zuschauer auf dem Sessel zu fesseln. Gerade gegen Ende ist der Film schon lange keine Komödie mehr, sondern überzeugt durch sein Finale voller Wendungen. Die Kamera sorgt dabei für eine dichte, spannende Atmosphäre und lässt den Film Zeitweise wie ein Kammerspiel wirken.

Doch die Kameraarbeit dient damit keinesfalls dem bloßen Selbstzweck. Vielmehr wird sie als thematisches Leitmotiv im Film auch für den Film immer wieder zum Erzähler. So zeigt sie in kleinen, manchmal sehr nah gefilmten und schnell hintereinander geschnittenen Schnipseln Einzelabläufe, die zu einem großen Ganzen verbunden werden. Diese Technik, die vielen aus dem Vorspann der Krimiserie DEXTER bekannt sein dürfte, verdeutlicht banale Tagesrhythmen denen der urbane Mensch immer wieder ausgesetzt ist.

Vielmehr noch geben eigenwillige Kameraperspektiven – gerne von unten und selten waagerecht – den Zuschauer selbst das Gefühl, gerade die Voyeure bei ihrem Schaffen heimlich zu beobachten. So wird der Zuschauer zum Voyeur des Voyeurs. Zweifelsohne eine gelungene Reminiszenz an das eigene Konsumverhalten des Publikums.

Der vermeintliche Verbrecher im Film ist auch noch der kreative Kopf hinter dem gesamten Projekt: Tali Barde, gerade einmal 24 Jahre alt, hat das Drehbuch geschrieben, den Film produziert, führte Regie und spielt auch noch eine der Hauptrollen. Barde ist es mit FOR NO EYES ONLY gelungen, sich auf humorvolle und aufregende Art und Weise mit den Gefahren der „Generation: Facebook“ auseinander zu setzen. Gleichzeitig gelingt ihm eine moderne Version seiner selbst genannten Inspirationsquelle DAS FENSTER ZUM HOF von Regisseur Alfred Hitchcock.

Der Film FOR NO EYES ONLY entwickelt sich von einer pubertären Teenagerkomödie zu einem waschechten Thriller im Geiste Hitchcocks und sparte dabei nicht an einem süffisant-frechen Unterton – der große Meister wäre stolz auf Euch!

Von Jörg Gottschling

Bewertung:

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Quelle: Pressematerial Zorro Filmverleih

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