Independent Days Fimfest 2017 - Highlights - Titelbild
on Tour

Independent Days Filmfest 2017- Meine Highlights

Zwei Tage Kurzfilmfestival-Marathon

Nachdem ich euch vor kurzem von meinen Eindrücken des Independent Days Filmfest 2017 in Karlsruhe erzählt haben, möchte ich nun auch endlich ein paar Filme, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind, vorstellen.

Die siebzehnte Ausgabe des Filmfestivals fand dieses Jahr vom 05. bis zum 09. April 2017 statt und zeigte 163 Filme. Da den Überblick zu behalten, geschweige denn Highlights herauszufiltern, fällt nicht leicht. Denn alle Filme waren auf ihre Art würdig, dort gezeigt zu werden. Deswegen ist meine Aufzählung absolut subjektiv und aufgrund der Tatsache, dass ich nicht an jedem Festivaltag vor Ort war, ebenso lückenhaft. Und doch lege ich euch jeden dieser vorgestellten Filme ans Herz.

 

FARID (2016) – „Entwurzelte Heimaten“

Das besondere an meinem ersten Filmblock war der volle Saal. Hier wurde mitgedacht und ein kleines Statement gesetzt. Denn zu „Entwurzelte Heimaten“, einem Filmblock über Vertreibung und Heimatflucht, wurden Flüchtlinge eingeladen – wer hätte sich besser mit diesen Themen identifizieren können? Und so war auch die Atmosphäre im Block entsprechend: Ruhig, ernst, einfühlsam, fast beängstigend erdrückend sah ein voller Saal auf hauptsächlich kurze Dokumentarfilme über gesellschaftliche Schieflagen und ernüchternde Einzelschicksale. Besonders im Gedächtnis blieb mir vor allem der letzte Film: FARID von Regisseur Ashraf Shakah. Erzählt wird die Geschichte von Farid Dhamrah, der 1990 von israelischen Besatzern aus Palästina deportiert wurde und 1999 in die Schweiz kam. Der Kurzfilm begleitet ihn von 2009 bis 2013 und fängt seine außergewöhnliche Persönlichkeit in nur wenigen Minuten ein.

Farid ist Schriftsteller, ein Intellektueller, der nach seiner Ankunft in Europa doch wieder alles neu lernen musste. Die Sprache, die Kultur, die Mentalität war ihm völlig fremd. Und doch fügte er sich in seinen neuen Lebensraum, schrieb Bücher und wurde zu einem wertvollen Teil der Gesellschaft. Er selbst sieht sich dort im fernen Europa jedoch nur wie in einem Warteraum (“Waiting Room“). Farid würde am liebsten überall anders sein, nur nicht dort. Das bedeutet nicht, dass er nicht dankbar dafür ist, dass er so herzlich aufgenommen wurde, aber es ist eben nicht seine Heimat – doch dahin darf er nicht mehr zurück.

 

COWBOYS & INDIANER (2016) – „Out of Order“

Im Filmblock „Out of Order“ wird der Alltag auf teilweise recht krasse Weise auf den Kopf gestellt. Stets wird dabei durch ein einschneidendes Ereignis die Brüchigkeit des eigenen Seins porträtiert. So ist in EMPTY DIARY (2015) eine japanische Schülerin dem Mobbing einer Klasse ausgesetzt oder eine junge Frau erleidet im koreanischen Thriller NOTHING HAPPENS (2016) nach einem Einbruch paranoide Verfolgungsängste. Besonders in Erinnerung blieb jedoch der kürzeste Film in dieser Reihe: COWBOYS & INDIANER. Der kleine Junge Leo spielt gerne mit seinen Western-Figuren. Ein eigentlich recht blutiges Spiel, wenn man bedenkt, dass Cowboys Indianer jagen und töten. Doch das Spiel hat seit dem heutigen Tag eine ganz andere, reale Dimension eingenommen. Denn etwas ist in Leos Familie passiert – etwas schreckliches.

An dieser Stelle möchte ich nicht zu viel verraten, denn die Auflösung ist doch sehr erschreckend und bestimmt die gesamte Wirkung des gerade einmal vier Minuten langen Kurzfilmes von Emilia Ruiz. COWBOYS & INDIANER war mit-nominiert in der Kategorie „Female Award“.

 

HARALD HILFT MIT (2016) – „Heimat Blues“

Eigentlich sollte man hier erwähnen, dass der gesamte Filmblock „Heimat Blues“ einfach toll war und fand im Rahmen der „Heimattage Baden-Württemberg“ statt. Zwischen Tragik und Komik sind die Filme auf der Suche nach Identität und Wurzeln. SAMIRA (2016) von Charlotte A. Rolfes beispielsweise erzählt von einem Dolmetscher (Lucas Prisor), der plötzlich ein Flüchtlingsbaby in den Armen hält und versucht, das Kind seiner Mutter wiederzugeben. Prisor wurde für diese Darstellung mit dem „Best Actor Award“ ausgezeichnet. Und dann ist da noch HOME-LESS (2015) von Aleksandra Panisko. Ein polnischer Film über einen Jungen, dessen Mutter außer Landes arbeitet und er völlig unbeaufsichtigt lebt. Ein Obdachloser hilft ihm – vielmehr helfen sich beide gegenseitig. Ein ungewöhnliche Freundschaft entsteht.

Einen Film möchte ich aber noch ganz besonders erwähnen: HARALD HILFT MIT von Simon Glass. Und wenn gleich andere Filme aus der Kategorie vielleicht aufgrund ihrer Thematik relevanter wären. So erzeugt dieser Film ein Heimatgefühl, das deutscher nicht sein könnte: Ein kleiner Ort steht kurz vor der Auflösung. Und so wollen die Bewohner alles daran setzen, ihre Heimat wieder attraktiver zu machen. Harald (Moritz Berg) jedoch wird von diesem Umbruch bedroht. Er ist Bahnschrankenwärter. Eben jene Bahnschranke soll jedoch automatisiert werden. Obendrein nimmt das Dorf an einem Wettbewerb teil: „Unser Dorf soll schöner werden“. Harald gibt sich hilfsbereit, doch in Wahrheit sorgt eigentlich für das große Chaos. Ein köstliche Komödie, über das eigentlich sehr ernste Thema des Dorfersterbens.

 

MONA LISAS LÜGEN (2016) – „Young Lovers“

Natürlich darf bei einem Filmfest auch die Themen Liebe und Sexualität nicht fehlen. In „Young Lovers“ wurden diese Themen meist sehr frech und humorvoll angegangen: In 1 NIGHT STAND (2016) von Dean Movshovitz schleppt eine Frau einen Mann ab, um ihren Freund zu betrügen und einen Grund zu finden, Schluss zu machen. Der nächtliche Liebhaber entpuppt sich jedoch als Therapeut in Ausbildung, der ihr nicht an die Wäsche möchte, sondern ihr lieber Lebensweisheiten vermitteln möchte. Der Regisseur verriet bei der anschließenden Diskussion, dass er den Ansatz verfolgte „Wer wäre der schlimmste Typ, den man nach Hause mitnehmen würde“. Das Ergebnis ist ein wirklich sehr skurriler Kurzfilm.

In FUCK YOU VERY MUCH (2016) geht es ebenfalls zum Schluss machen. Doof nur, wenn die Frau nicht „nein“ sagen kann. Da braucht man dann unkonventionelle Methoden. Unkonventionell ging es dann in LÖWE AM MONTAG weiter. Ein Paar lebt von einem Spiel, in dem Sie jede Woche ein neues „Erstes Date“ haben. Und in der österreichischen Komödie PALEONTOTOLGY (2015) gehen zwei sympathische Aufreißer auf eine derb-humorvolle Puma-Jagd.

Kommen wir nun aber endlich zu MONA LISAS LÜGEN: Zwei Kumpels wollen abends einen drauf machen, finden sich zunächst jedoch mit einem Sixpack Bier bei philosophischen Gesprächen über das Leben auf der Schaukel eines Kinderspielplatzes wieder. Dann entschließen sie auf die Suche zu gehen. Ihr Ziel: Irgendeine Studentenparty – schließlich wohnen sie in einer Studentenstadt und irgendwo feiert immer irgendwer irgendwas. Sie werden tatsächlich fündig, schleusen sich ohne Einladung ein und haben ihren Spaß. Dann verschwindet der eine auf Klo und wird dort von Franzi überrascht. Die ist genervt von der Party, von Studenten, die das selbe erzählen, die mit den selben Erfahrungen beeindrucken wollen, die bestimmt sind von ihrem langweilig-unkonventionellen Studentenleben zwischen akademischer Bildung, Saufabendenden und Back Packing Touren durch Australien. Franzi möchte ein Spiel spielen: Beide unterhalten sich, aber keiner von beiden erzählt die Wahrheit…bis auf eine einziges Mal.

MONA LISAS LÜGEN von Jan Horst ist intelligent geschrieben und wirklich sehr unterhaltsam. Der Film zäumt den ewig-gleichen, über-romantisiert coolen Studentenalltag von hinten auf, stellt ihn gar in Frage und erfrischt dadurch.

 

ES WAR FEUCHT, DUNKEL UND ROCH NACH HOLZ – „In the Warfield“

Die Kategorie „In the Wafield“ widmete sich dem Kriegsfilm im weiteren Sinne. Meist von einer Sozialkritischen Anti-Kriegs-Position heraus zeigten die Kurzfilme dieses Filmblocks die Facetten des Krieges auf. Den Beginn machte der doch sehr patriotische Film BIRTHDAY (2015) über einen Soldaten, der auf eine Mine trat, überlebte und sich trotz des Verlustes beider Beine und eines Armes zurück ins Leben kämpfte. Der niederländische Film HOME FRONT (2016) von Ruben Broekhuis war eine Deutschlandpremiere und holte den Krieg an den eigenen Küchentisch. Eine Frau verarbeitet darin das Trauma ihres Mannes, einem Kriegsveteran, als ihr Schwiegersohn sich für die Armee verpflichten will.

Absolut aus der Reihe fiel hingegen ES WAR FEUCHT, DUNKEL UND ROCH NACH HOLZ (2016). Der lange Titel gibt Rätsel auf. Der Film selbst präsentiert sich jedoch als herrlich-komische, deutsche Antwort auf Monty Phyton: In Peter Meisters Film erleben wir die letzten Minuten der Besatzung des Trojanischen Pferdes kurz vor dem Angriff auf Troja. Die Truppe, die seit Stunden in dem hölzernen Ross sitzt, wird unruhig, stellt ihre Aufgabe als solche und den Krieg in Frage. Was wird sie da draußen erwarten? Werden sie gewinnen? Und was ist nach dem Krieg? Soll es das gewesen sein? Jahre der Belagerung für ein paar Minuten des Kampfes? Wohin sollen sie gehen?

ES WAR FEUCHT, DUNKEL UND ROCH NACH HOLZ hinterfragt auf stoisch-deutsche Art den Sinn des Lebens. Ein absoluter Geheimtipp, den jeder Fan intelligentem Humors jeder einmal gesehen haben sollte.

 

SOLITUDE – „Fremde Welten, ferne Galaxien

In „Fremde Welten, ferne Galaxien“ wurden Zukunftsvisionen gesponnen. Hier werden Träume zu lukrativen Verkaufsartikeln (DREAMS ON SALE; 2016 | von Vlad Buzaianu), Fußfesseln zu intelligente kleine Helfer (HAUSARREST; 2013 | von Matthias Sahli) und dunkle Krieger in Ausbildung zu Sith Lords – ja, der virale Hit DARTH MAUL: APPRENTICE (2016) war Teil der Independent Days 2017. Und für IM PERFEKT (2016) erhielt Regisseurin Zsuzsanna Koszti den Preis „Female Award“ für die beste weibliche Regiearbeit. Der ungarische Film erzählt von einer Welt, in der Körperteile und Sinnesempfindungen simuliert werden können.

Besonders berührt hat mich jedoch SOLITUDE (2016) von Joris Donvil: In einer postapokalyptischen Welt lebt ein Mann im seiner erwachsenen Tochter in einer kleinen Wohnung. Sie war noch nie draußen, er hingegen unternimmt regelmäßig Touren um die Vorräte aufzufrischen. Die Welt ist gefährlich und doch kam der Vater jedes Mal wieder – bisher. SOLITUDE ist ein Kammerspiel mit einer erdrückenden Atmosphäre, einer tragischen Geschichte und einer doch sehr plastischen Darstellung von Wahnvorstellungen.

 

Wer die Gelegenheit hat und den einen oder anderen Film auf YouTube, Vimeo oder besser noch einem anderen Festival anschauen kann, der sollte dies tun. Und wer weiß, vielleicht ist sogar das Filmteam vor Ort. Die Jungs und Mädels suchen den Dialog und brennen darauf eure Meinungen zu hören. Die komplette Liste der gezeigten Filme und das vollständige Programm könnt ihr euch hier ansehen.

Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: