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Kinokritik,  Kritiken

ÜBERFLIEGER – KLEINE VÖGEL, GROSSES GEKLAPPER (2017)

Ein Spatz auf Selbstfindungstrip

Mit ÜBERFLIEGER – KLEINE VÖGEL, GROSSES GEKLAPPER kreieren Tobias Genkel und Reza Memari einen deutsche Animationfilm, der sich in jeglicher Hinsicht mit den amerikanischen Genrevertretern messen lassen kann. Noch am vergangenen Wochenende war der Film auf dem 24. Internationalen Trickfilm Festival in Stuttgart zu sehen. Ab morgen läuft der Film bereits in den deutschen Kinos an. Und soviel vorweg: ÜBERFLIEGER hat seinen Titel nicht zu Unrecht.

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Richard ist ein Vogel. Soviel ist mal sicher. Doch er ist nicht das, was er glaubt zu sein. Denn kurz vor seinem Schlüpfen kommt es zu einem tragischen Vorfall. Ohne, dass er es ahnt, ist er ein Weise geworden. Doch die Störche Aurora und Claudius nehmen sich seiner an und ziehen in gemeinsam mit ihren leiblichen Sohn Max unter den Störchen groß.

Nun ist Herbst geworden und die Reise in den Süden steht unmittelbar an. Doch Claudius ist sich bewusst, dass sein Ziehsohn die gefährliche und anstrengende Reise nach Afrika nicht überstehen wird. Es kommt zur Aussprache und man versucht ihm klar zu machen, dass er kein Storch, sondern ein Spatz ist. Und Spatzen reisen nicht in den Süden.

Davon will Richard nichts hören und ist überzeugt davon, dass er nicht nur die Reise nach Afrika schaffen wird, sondern auch ein waschechter Storch ist – nur eben etwas kleiner als seine Artgenossen. Das hilft jedoch alles nichts und die Störche brechen ohne ihn auf.

Richard fliegt ihnen voller Trotz und Eifer nach und lernt auf seinem Weg die viel zu große Zwergeule Olga kennen, die ihm gemeinsam mit ihrem imaginären Freund Oleg und dem eitlen Disko-Wellensittich Kiki auf seinem Unterfangen helfen. Wird die Vogelschar ihr warmes Ziel am großen See erreichen?

FAZIT:

In ÜBERFLIEGER versuchen drei Außenseiter das Unmögliche. Ein bekannter Ansatz, der in eine Geschichte verflochten wurde, in der kleine Vögel eine waghalsige Reise antreten, um sich selbst etwas zu beweise und am Ende gar zu sich selbst finden.

Gekommen ist Drehbuchautor Reza Memari die Idee zum Film vor gut acht Jahren, als er in einem Kaffee saß, über ihm eine Schar Störche vorbeizog und neben ihm ein Spatz auf der Suche nach Futter durch die Gegend hüpfte. „Warum fliegen Spatzen eigentlich nicht in den Süden, wenn es kalt wird?“, fragte er sich. Ganz genau: „Warum tun sie das eigentlich nicht!?“ Und so war die Grundlage geschaffen für eine Geschichte, voller schöner Ideen, die obendrein optisch hervorragend aussieht.

Erzählt wird die Geschichte von dem Adoptiv-Storch Richard, der eigentlich ein Spatz ist. Er leidet quasi unter einer Identitätskrise und erkennt nicht, dass man nicht versuchen muss, krampfhaft das zu sein, was man sein möchte, sondern lieber akzeptieren sollte, was man wirklich ist. Ein Identifikationspunkt, bei dem sich viele der kleine Zuschauer des Films mit Sicherheit wiederfinden werden.

Obendrein haben Richards gefiederten Freunde auf ihre Weise den selben inneren Konflikt zu überwinden. So ist die Zwergeule Olga für ihre Gattung viel zu groß geraten und wurde von ihrer Familie verstoßen. Diese Einsamkeit hat sie dadurch überwunden, dass sie sich einen imaginären Freunde erschaffen hat. Er versinnbildlicht ihre tapfere, aber auch weiche Seite, während sie sich selbst eher in eine harte Schale aus Distanz und vor allem Humor anlegt.

Und als letzten im Bunde ist da noch der Wellensittich Kiki, von dem im Laufe der Geschichte nie so eindeutig hervorgeht, ob er nun Männchen oder Weibchen ist. Die Indizien sprechen aber für einen männlichen Vogel mit sehr weiblichen Attitüden. Kiki träumt von einer großen Karriere als Diskosänger, doch auch er muss erkennen, dass er zwar Talent besitzt, aber dieses niemals ausreicht, um diesen Traum zu erfüllen – schon gar nicht um jeden Preis, wie in seinem Fall durch Lügen und Täuschen. Das erkennt er jedoch erst, als er sein Käfig in einer Bahnhofskneipe verlässt und jenseits des Fernsehbildschirms die Welt mit neuen Augen kennenlernt.

Man merkt an diesen drei Charaktere, das bewusst oder unbewusst mit einer pädagoischen Lupe gearbeitet wurde. Mit Lupe deswegen, weil die Verfehlungen, der Zweifel und Schmerz zwar offensichtlich, aber nicht unbedingt vordergründig stattfinden, sondern vielmehr in Humor umwickelt thematisiert werden. Alleine das macht den Film zu einem wertvollen Kinderfilm.

Darüber hinaus darf natürlich der Spaß nicht fehlen. Denn die Makel aller Vögel werden humorvoll ausgekostet: Wir treffen auch stolze Störche, gemütliche Eulen, eitle Paradiesvögel und eben einen hektischen Spatzen. Ganz besonders zu erwähnen, seien an dieser Stelle die Tauben. Hoch auf dem Drahtseil sitzend, haben sie sich World Wide vernetzt und verlieren sich mit ihren typischen, starren Blicken in den digitalen Weiten. Damit persiflieren sich zeitgleich auch eine moderne Sucht, bei der man im schlimmsten Fall den Bezug zur Realität verliert. Wie schön ist es da doch, dass sich im Laufe des Films zwei von ihnen davon lösen können und die Schönheit des Lebens abseits der digitalen Vernetzung für sich neu entdecken.

Für Regisseur Genkel war es zudem wichtig, die Vögel realistisch darzustellen. Damit war kein optischer Fotorealismus gemeint, denn immerhin dürfen und sollen sie Cartoon-artig sein, handelt es sich doch um einen Kinderfilm. Aber sie sollten eben auch die typischen, natürlichen Eigenarten der Vögel abbilden, die sie darstellen. So kam für die Filmemacher beispielsweise Kleidung an den Tieren nicht in Frage. Durch vielen Federn, die im Wind wehen und die Adaption der natürlichen Spezifika von Vögel stellte jedoch gerade die Animation der gefiederten Flugtiere die größte Herausforderung dar, erklärte Genkel auf dem Trickfilm Festival.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn die Animation der Figuren überzeugt, ist sehr detailreich und wirkt nicht künstlich. An ÜBERFLIEGER zeigt sich damit einmal mehr der Fortschritt deutscher Animationskunst, aber auch eine Leidenschaft für das Projekt selbst.

Insgesamt ist ÜBERFLIEGER – KLEINE VÖGEL, GROSSEN GEKLAPPER ein Film, der mit seinen Mitteln alles herausgeholt hat, was er konnte – und das macht auf der Leinwand wirklich Spaß. Und auch wenn der Film das Rad nicht neu erfindet, so ist er eine kurzweilige Unterhaltung für vor allem für die kleinen Zuschauer, denen sogar gleich auf mehreren Ebenen wichtige pädagogische Werte vermittelt werden. Daher ist der Animationsfilm eine klare Empfehlung für alle Eltern, die ihrem Kindern was Gutes tun möchten.

ÜBERFLIEGER – KLEINE VÖGEL, GROSSES GEKLAPPER startet ab dem 11.05.2017 in den deutschen Kinos und ab dem 19.10.2017 ist der Film auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
banane_ranking_3.5

 

Quelle: Pressematerial 24. Trickfilm Festival Stuttgart/ Wild Bunch 2017

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Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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