Wilde Maus - Kritik | Österreichische Tragikomöide von Josef Hader
DVD & Blu-Ray,  Kritiken

WILDE MAUS (2017)

Und noch ne Runde…

Ein Film über eine Achterbahn im wortwörtlichen und übertragenden Sinne: WILDE MAUS ist eine Tragikomödie über einen gestandenen Mann, dessen Boden unter den Füßen weggezogen wird. Statt sich wieder aufzuraffen, setzt er auf einen sturen, kindlichen Rachefeldzug. Josef Haders neuster Film ist wahrlich eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die in einem bitterbösen, zynischen Wiener Humor getränkt wurde, in der die Hauptfigur zu ertrinken droht.

INHALT:Wilde Maus - DVD-Cover | von und mit Josef Hader

Einst war der Wiener Musikkritiker Georg (Josef Hader) eine Instanz – für seine Zeitung und für die ganze Branche. Doch die Zeiten haben sich geändert: Der Stellenwert der Zeitungen ist schon lange nicht mehr so stark wie früher. Es gibt keinen Platz und kein Geld mehr für einen alternden, elitären Kritiker der klassischen Musik. Und so wird er überraschend, aber konsequent von seinem jungen Chefredakteur (Jörg Hartmann) entlassen und ersetzt.

Doch das ist nicht die einzige Krise in Georgs Leben. Auch privat läuft es nicht rund. Gemeinsam mit seiner Freundin Johanna (Pia Hierzegger) plant er ein Baby. Warum? Weil sie es möchte und er irgendwie nichts dagegen hat. Beide sind jedoch in einem Alter angekommen, in dem genau das nicht mehr so leicht ist.

Und so verheimlicht Georg sein Arbeitslosigkeit. Er geht jeden Morgen aus dem Haus, wandert durch die Parks und besucht den Jahrmarkt. Dort trifft er auf seinen ehemaligen Mitschüler Erich (Georg Friederich). Der hat Georg damals zwar häufig drangsaliert, aber irgendwie stehen beide heute verloren im Leben dar. Aus der Zweckgemeinschaft wird so etwas wie Freundschaft. Georg hilft Erich bei seinem neuen Projekt, eine alte Achterbahn wieder in Schuss zu bringen, und Erich revanchiert sich, indem er sich an Georgs Rachefeldzug gegen seinen Chefredakteur beteiligt.

Doch dieses neue Leben ist keine Lösung. Vielmehr rutscht Georg immer weiter ab, bis schließlich endgültig alles aus dem Ruder läuft…

FAZIT:

„Wilde Maus“ ist eine Bezeichnung für eine Achterbahn. Auf und ab geht es auch im Leben des Protagonisten – vor allem ab. Josef Hader erzählt über einen stolzen Mann, der in eben jenem gekränkt wurde. Verbissen, stur und trotzig rächt sich dieser zunächst mit harmlosen Kratzern am Auto seines ehemaligen Chefredakteurs. Doch dabei bleibt es nicht. Es folgt eine Einbruch, später sogar die Verfolgung an den Urlaubsort und mündet am Ende in einen unbedachten und ungeplanten Selbstmordversuch.

Die Tragikomödie WILDE MAUS porträtiert einen absurden Leidensweg – und das auf schonungslose, wie tölpelhafte Weise. Hader spielt seine Hauptfigur selbst und verleiht dieser etwas Dilettantisches – nicht in der Spielweise, sondern als Ausdruck des verzweifelten Charakters. Jede Aktion wirkt ungeplant, wie im Affekt handelnd und keineswegs souverän. Dabei war es doch ausgerechnet Georg, der stets die Kontrolle hatte und als Koryphäe der Musikkritik regelmäßig Konzerte in der Luft zerfetzte. Nun, da er abgeschrieben ist, findet er keine Plattform mehr, seinen notorischen, passiv-aggressiven Zorn Ausdruck zu verleihen. Und so entlarvt er sich als kleines Würstchen (der gar feige Maus), dessen Leben völlig entgleitet.

Der Jahrmarkt in Wien wird zum Drehkreuz der Geschichte. Als ein Ort, an dem die Grenzen überschritten werden dürfen, gelten hier die Regeln des gemeinsamen Miteinanders nur bedingt: Georgs Freundin Johanna, eine Psychiaterin, die in den eintönigen Phrasen ihres Jobs verharrt, orientiert sich um und flirtet mit einem ihrer Patienten (Denis Moschitto). Der ist schwul und will seine Ärztin loswerden, weil sie ihm auch nach Monaten nicht wirklich helfen konnte. Doch irgendwie finden die beiden kurz zueinander. Es kommt nach einem gemeinsamen Besuch auf dem Jahrmarkt zu einem Kuss. Auch Georg bandelt mit der neuen Freundin von Erich an. Die ist ohnehin zu intellektuell für seinen alten Schulkameraden, doch auch zu jung für Georg. Beide Flirts sind nichts ernstes, doch sie sind symptomatisch für die brüchige Beziehung von Georg und Johanna.

WILD MAUS spart an kurzweiligen Humor. Vielmehr ist der Film ein zynisches Gedankenspiel über einen geordnetes Leben, das die richtige Richtung eingeschlagen hat, aber mitten auf der Fahrt in einem turbulenten Looping stecken bleibt und komplett auf dem Kopf gestellt wird. Die wiener Komödie ist schwer verdaulich, aber äußerst unterhaltsam, absurd und doch authentisch und melancholisch, aber eben auch herrlich schön – eben eine ambivalente Achterbahn der Gefühle.

WILDE MAUS ist ab dem 07.09.2016 auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial 20th Century Fox 2017

 

 

Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

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