Der Stern von Indien - Kritik
Kinokritik,  Kritiken

DER STERN VON INDIEN (2017)

Eine britische Kolonie am Ende ihrer Tage

DER STERN VON INDIEN von Gurinder Chadha ist eine frei-biografische Erzählung von wahren Ereignissen, wie es eine historisch korrekte Aufarbeitung der letzten Monate der britischen Kolonie Indien ist. Das Drama erzählt von einem Land, in dem der Glaube die Menschen zuerst gegen die Besatzer geeint und dann vollends entzweit hat.

Aus einer Kolonie wurden zwei Staaten, die noch heute verfeindet sind. Eine tragische Geschichte, die sich in DER STERN VON INDIEN in dem Einzelschicksal einer verbotenen Liebe widerspiegelt und dadurch den Wahnsinn des Zerwürfnisses offenbart.

INHALT:der Stern von Indien - Poster

Nach dem zweiten Weltkrieg gehört Großbritannien zwar zu den Gewinnern, doch der Krieg nagt am Weltreich. Die britische Insel liegt in Trümmern, es fehlt an Geld und Kapazitäten, um das Commonwealth zusammenzuhalten. Gleichzeitig regt sich in der größten und wichtigsten Kolonie Indien ein gewaltloser Widerstand durch Gandhi. Und so trifft die Krone eine folgenschwere Entscheidung: Indien soll kontrolliert in die Unabhängigkeit entlassen werden.

Im Jahre 1947 kommen deswegen Lord Mountbatten (Hugh Bonneville) und seine Frau Edwina (Gillian Anderson) nach Delhi. Als letzter Vizekönig ist es Mountbatten Aufgabe, einen Spagat zu schlagen und das riesige Land mit den Milliarden Bewohnern auf der einen Seite zu reagieren, auf der anderen Seite jedoch auf eine Zukunft ohne England vorzubereiten.

Die Ideen, die das Ehepaar mitbringen, sind daher ebenso revolutionär wie radikal – und die Veränderungen beginnen als erstes im eigenen Palast. Dort arbeiten über 500 Bedienstete. Es sind Inder unterschiedlicher Schichten und Glaubensvorstellungen. Darunter auch die Muslima Aalia (Huma Qureshi) und der Hindu Jeet (Manish Dayal). Beide verbindet eine romantische Vergangenheit. Sie begegnen sich nach Jahren im Palast wieder und merken, wie viel sie noch für einander empfinden.

Doch ihre Liebe ist nicht von Glück erfüllt: So ist Aalia bereits einem anderen versprochen. Und ihr unterschiedlicher Glaube macht sie gar zu Feinden. Als dann Mountbatten auch noch keine Wahl hat als einer Zwei-Nationen-Lösung nachzugeben und damit die Staaten Indien und Pakistan zu gründen, versinkt die Kolonie in Chaos. Aus einer geordneten Staatentrennung wird ein gewalttätiger Konflikt, dessen Spuren auch am Paar nicht vorbeigehen: Denn Jeet verliert zuerst seine Familie und dann auch noch seine Aalia…

FAZIT:

DER STERN VON INDIEN (im Original VICEROY’S HOUSE) ist ein romantisches Drama, dass in den historischen Kontext der indisch-pakistanischen Staatentrennung eingebettet ist. Die britisch-indische Regisseurin Gurinder Chadha inszeniert zu Beginn einen opulenten Kostümfilm mit farbenfrohen Bildern. Satte Rot- und Gelbtöne dominieren die Szenerie. Hunderte von Komparsen demonstrieren eine reiche und gut organisierte Kolonie, in der jener Schein der vergangenen Tage noch künstlich erhalten bleibt. In Wahrheit entwickelt sich das Land zu einem brodelnden Kessel voller Gegensätze und Hass.

Es ist ein Hass, den die Kolonialherren selbst erzeugt haben, um die Milliarden Menschen mit nur wenigen Truppen kontrollieren zu können. Ein politsch-herrschaftlicher Kunstgriff, aber auch ein Zeichnen für eine unbarmherzige gut 100 Jahre lange Herrschaft. Tatsächlich steht die Uhr auf zehn vor zwölf. Und die einzige Aufgabe des neuen Vizekönigs besteht darin, dass Land und die Bevölkerung sich selbst zu übergeben. Zunächst überwiegt in der Bevölkerung die Freude über eine wiedergewonnene Freiheit. Die Taten des Vizekönigs unterstützen dies, beginnt mit ihm auch ein Umdenken an der Führungsspitze.

Doch nicht in allen Punkten teilt die Bevölkerung die gleiche Vorstellung, was mit Indien passieren soll. Und eines wird im Film ganz eindeutig ausgemalt: Der Tiefe Graben zwischen der muslimischem Minderheit und dem Rest der Bevölkerung, der aus Hindus und Christen besteht. Damit endet jedoch auch die große Erklärung und DER STERN VON INDIEN verlässt sich allzu oft zu sehr auf das Vorwissens des Publikums. Immer wieder fehlt der Kontext und es wird versäumt, wichtige Personen dieser Zeit und ihre bedeutenden Taten adäquat einzuführen. Es empfiehlt sich fast, bevor man DER STERN VON INDIEN anschaut, zunächst einen Blick in GANDHI (1982) zu wagen. Denn im Grunde schließen beide Filme mehr oder minder aneinander an.

Schauspieler Hugh Bonneville spielt den Vizekönig souverän. Kein Wunder, mimt er doch im Grunde den nach vorne denkenden Adligen, den er auch in DOWNTON ABBEY exzellent verkörperte. AKTE X-Ikone Gillian Anderson wird hingegen etwas steif, ja fast zu kalt für den liebenswürdigen Charakter, den sie vorgibt zu sein. Als Paar harmonisieren sie dennoch. Gleichzeitig sollte man aber erwähnen, dass beide Stars nicht die Hauptrollen des Films übernehmen. Vielmehr wird DER STERN VON INDIEN aus der Sicht des Liebespaares erzählt. Die indischen Schauspieler Manish Dayal und Huma Qureshi verleihen ihren Rollen Authentizität und Tiefe. Gerade in Dayals Spielweise wird das Unbegreifliche, der Schmerz eines ganzes Landes verborgen.

DER STERN VON INDIEN ist bemüht, eine Liebesgeschichte einzubauen, die als ein Einzelschicksal die emotionale Ebene des Films bedienen soll. Dies gelingt dadurch, dass man von jeder Seite eine Person einführt, die obendrein auch noch miteinander verbunden sind. Das Paar steht symbolisch für die Gleichheit der Völker und Rassen und möchte ein Zeichen setzen. Doch wie schon bei Shakespeares Romeo und Julia ist auch diesen beiden das Glück nicht holt. Die Geschichte der beiden ist mit Pathos getränkt, versinkt darin jedoch nicht – der große Kitsch bleibt zum Glück aus.

Das Liebesdrama DER STERN VON INDIEN ist pompös ist seiner Ausstattung, legt viel wert auf eine dezidierte Schilderung der Ereignisse. Diese sind jedoch so facettenreich, dass allzu oft der Kontext fehlt. Die eingebettete Geschichte eines Paares, die auch noch auf einer wahren Geschichte beruht, hat einen starken Symbolcharakter, der dem Film alleine tragen könnte. Insgesamt ist es ein aufwirbelnder, verworrener Film mit vielen ausdrucksstarken Szenen. Doch der Film möchte zu viel, überschwemmt mit Ereignissen und verliert dabei seine Figuren immer wieder aus dem Fokus. So ist es ein gut produziertes, relevantes, aber eben kein vollends herausragendes Werk geworden.

DER STERN VON INDIEN startet am 10.08.2017 in den deutschen Kinos und ist ab dem 15.12.2017 auf DVD und Blu-Ray im Handel erhältlich.

von Jörg Gottschling

Bewertung:
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Quelle: Pressematerial Tobis Film 2017

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