Film,  Kinokritik,  Kritiken

DJANGO UNCHAINED (2013)

Angekettet an die eigenen Erwartungen.

 

django_Poster

RESOVOIR DOGS (1992), PULP FICTION (1994), JACKIE BROWN (1997), KILL BILL (2003/2004), DEATH PROOF (2007) und INGLOURIOUS BASTERDS (2009): die Liste ist kurz, hat es aber in sich. Kaum ein Regisseur und seine Filme können so einen hohen Kultstatus verzeichnen, wie Quentin Tarantino und seine Werke.

Da ist es nicht verwunderlich, dass die Erwartungen an Tarantinos neusten Spielfilm DJANGO UNCHAINED dementsprechend hoch sind. Und noch unverwunderlicher ist, der vorprogrammierte Hype des Filmes noch vor dem Kinostart.

INHALT:
Eines ruhigen Abends mitten im Nirgendwo von Texas erscheint einer kleinen Sklavenkarawane Doktor King Schulz (Christoph Walz) samt seinem treuen Ross Fritz. Dieser durchweg eloquente Deutsche aus Düsseldorf ist ein nicht mehr praktizierender Zahnarzt und seit neustem gerissener Kopfgeldjäger.

Auf seiner Jagd nach den verbrecherischen Brittle Brüdern benötigt er die Hilfe des verramschten und von seiner Frau Broomhilda (Kerry Washington) getrennten Sklaven Django (Jamie Foxx). Denn nur er kennt die Gesichter der Brüder. Nach intensiven Verhandlungen und einigen Schüssen später kommen die Sklavenhändler mit Schulz, mehr oder weniger, ins Geschäft und Django wechselt den Besitzer. Doch vielmehr schenkt Doktor King Schulz Django die Freiheit und macht ihn obendrein noch zu seinem äußerste talentierten Partner.

Nach einem langen und erfolgreichen Kopfgeldjagdwinter nehmen die mittlerweile zu Freunden gewordenen Partner Kontakt zu einem gewissen Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) auf. Dieser hat vor einigen Monaten Broomhilda gekauft. Durch ein gerissenes Geschäft wollen die Kopfgeldjäger auf legalen Wege Djangos Frau freikaufen. Was nach einem guten Plan aussieht, erweist sich jedoch bald als ein explosives Pulverfass…

FAZIT:
Schaltet Eurer Gehirn nicht aus, denn Ihr werdet es für DJANGO UNCHAINED noch brauchen. Schließlich liegen brutale Komik und die ernste Auseinandersetzung mit einem der schwersten Themen der amerikanischen Geschichte, der Sklaverei, dichter beieinander als man glauben mag.

Quentin Tarantino bewegt sich mit diesem Film innerhalb seiner eigenen Erwartungen und doch wieder auf einem völlig fremden Terrain. Seinem Hang zu alten (vornehmlich trashigen) Filmen der 60er und 70er Jahre bleibt er auch diesmal treu. Deutlich beeinflusst von den guten alten Spaghetti-Western, wie FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR (1964), SPIEL MIT DAS LIED VOM TOD (1968) oder DER TEXANER (1976), aber auch, was die Bildsprache angeht, von D.W. Griffith BIRTH OF A NATION (1915), schafft sich Tarantino seine eigene abnorme Version des Wilden Westens kurz vor dem amerikanischen Bürgerkrieg.

Doch Tarantinos Problem bei DJANGO UNCHAINED ist nicht die eigentlich einfache Handlung, sondern die stilgebende Darstellung. Keine Frage, er versteht sein Handwerk und macht technisch alles richtig. Und doch wirken manche überraschenden Wendungen zu gewollt. Wer seine Filme kennt, der findet aus jedem Film etwas wieder. Und genau hier befindet sich die Wurzel meines Gemeckers auf hohem Niveau:

Wie ein bitterer Beigeschmack benutzt Tarantino einen Baukastensystem aus alten Handlungssträngen. Das wiederum ist erst mal gar nicht verkehrt – Eigentlich mochte ich es früher sogar! Doch wenn jemand in den letzten 20 Jahren „nur“ zirka sechseinhalb Spielfilme gedreht hat und sich bereits offensichtliche Wiederholungen einschleichen, dann kann das längerfristig nur schaden und langweilen. So ist es schon bedenklich, dass gefühlt die Hälfte des Films aus Zitaten seiner alten Werke besteht.

Ob nun ein Jude Jagd auf Nazis oder ein Schwarzer Jagd auf weiße Unterdrücker macht, ob nun eine Cowboy-Armee eine Weststaatenvilla übertrieben besetzt, oder eine ganze Kung Foo Armee ein Penthouse, ob nun die Mitglieder einer Ku-klux-Klan ähnlichen Reiterhorde über zu kleine Gucklöchern in den weißen Masken nörgeln oder zwei Profikiller über die Begrifflichkeit des Cheeseburgers philosophieren, es scheinen genau diese altbekannten Baukastensteine zu sein, die der Zuschauer erwartet. Und Tarantino bedient den Zuschauer, statt sich „ernsthaft“ auf eine neues Genre einzulassen. Der Regisseur hatte alle Möglichkeiten mit dem für ihn neuen Genre zu spielen, statt dessen mischt er einfach dreist KILL BILL und INGLOURIOUS BASTERDS, setzt die Leute auf Pferde und nennt das Tarantino-Western.

Zwar ist ein Tarantino-Film ohne Explosionen, dumpfen Geballer nach hoher Konversation und ein am Rande des morbid-skurillen, befindenden Humors scheinbar nicht vorstellbar. Dass jedoch auch genrespezifische Einstellungen gezeigt werden müssen, um dem Western-Klischee zu entsprechen versteht sich von selbst. So ziehen nicht nur wilde Schießereien, inflationär auftretende epochale Slowmotion-Einstellungen von herannahenden Gegnern oder obligatorische lange Reisen auf dem Pferd, sondern auch und vor allem der Tarantino-Baukasten den Film unnötig in die Länge. Schon allein deswegen dauert DJANGO UNCHAINED mit seinen 165 Minuten eine kleine Ewigkeit.

Mit der Besetzung hat sich Tarantino hingegen wiedermal selbst in seinem Amt als Genie bestätigen. Die erneute Verpflichtung von Christoph Walz sah zunächst wie eine alternativ- und ideenlose Entscheidung aus, entpuppte sich jedoch schon in der ersten Szene von DJANGO UNCHAINED als einzig richtige Wahl.

Zudem ist Doktor King Schulz der erste „gute Deutsche“ im amerikanischen Film, der sich behaupten kann. Tarantino leistet auf diesem Gebiet Pionierarbeit und schafft es, dank der abermals souveränen Darstellung von Christoph Walz, den deutschen in Hollywood aus seinem nationalsozialistischen Kostüm zu befreien und als Helden unter amerikanischen Verbrechern zu etablieren. Nun ist der Deutsche im Film nicht mehr länger der fiese Gegenspieler, sondern auch der Wahrer des Amercian Dream of Life.

Auch Jamie Foxx als Hauptdarsteller ist glaubwürdig, wenn man das von einem Charakter in einem bewusst unglaubwürdigen Spielfilm sagen kann. Jedoch steht er, trotz der Entwicklungen des Charakters im Film, im Schatten von Christoph Walz. Doch gerade wenn es um die Rache des Schwarzen Mannes geht, dann können wir uns nur glücklich schätzen, dass die Frohnatur Will Smith, der ursprünglich für die Rolle des Djangos geplant war, aufgrund von Terminengpässen dankend ablehnen musste. Jamie Foxx ist einfach der besser Bad Ass unter den Helden.

Das weitere Ensemble präsentiert sich in typischer Tarantino-Starbesetzung: Selbst im relativ kurzen Cameo sorgte der ehemalige Miami Vice-Ermittler Don Johnson für ein Augenzwinkern. Wohingegen Leonardo DiCaprio als fieser Plantagenbesitzer berechtigte Hass- und Abneigungsgefühle erzeugte. Da wünscht man sich für ihn mehr Schurken- statt Heldenrollen in nächster Zeit. Altmeister Samuel L. Jackson hingegen bewegte sich auf einem völlig anderem Level. Er versteht es den alternden Haussklave mit deutlicher Abneigung zur eigenen „Rasse“ vortrefflich zu karikieren und durch sein loses Mundwerk das Publikum zu begeistern.

Tarantinos Filme sind eben das, was sie sind: Anders! Das zeichnet den Ausnahmeregisseur aus und macht seine Filme so erfolgreich. Und mit DJANGO UNCHAINED hat er bewiesen, dass es auch im Genre des Western anders gehen kann. Angekettet an die eigenen Erwartungen erreicht der Film dennoch den typischen Tarantion-Status eines Kultfilmes. So überwiegt das Positive doch die Kritik auf hohem Niveau. Ein Tarantino-Film muss einfach gesehen werden, denn er hat es jedes Mal auf seine Weise verdient.

von Jörg Gottschling

Bewertung:

banane_ranking_4.5

[amazon_link asins=’B00HDZO72W,B00APVW06G‘ template=’ProductGrid‘ store=’derfilm09-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’52289b46-56bd-11e7-b602-81645cab80e8′]

Moin! Ich bin der Filmaffe. Den Blog hab ich mir ausgedacht. Als Filmjunkie, Digital Native & Medienprimat ist mein natürlich Habitus der Bildschirm und alles, was sich darin befindet.

Ein Kommentar

  • Muromez

    Das mit dem Baukastensystem fiel mir ebenfalls auf… Aber vielleicht lässt es sich damit entschuldigen, dass Tarantino mit „Basterds“, „Django“ und wohl dem anvisierten „Killer Crow“ eine Trilogie plant. Bisher gewannen bei ihrer Vergeltung immer die rachsüchtigen Guten. Ergo, glaube ich, dass bei der breiten Kinomasse das Gewinnen der „schlechten Cops“ nicht ganz so gut ankommen würde.

    Insgesamt gesehen jedoch sicherlich ein Kritikpunkt, den man ihm trotzallem ankreiden kann! Wobei das für mich eher mit dem Finden des Haars in der Suppe vergleichbar wäre – da Kinoliebhaber Tarantino doch stets für Qualität steht. Die Stärke in den Dialogen, dem Cast, den Vergleichen, der Reminiszenz und so weiter und so fort hat.

    Merci beaucoup für die tolle Rezension! 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: